Die Lettrétage im November

Foto: Urs Mader

Wir starten in einen verrückten Monat! Der November in der Lettrétage ist bis oben hin vollgepackt mit Lesungen, Workshops, Diskussionsveranstaltungen, Performances, Buchpräsentationen, Magazinlaunches und noch einigem mehr. Die freie Literaturszene ist definitiv zurück und wir außerordentlich glücklich, ihren Impulsen einen Raum geben zu können.

Bitte beachten Sie: Damit Sie Literatur weiterhin live erleben können, finden alle Veranstaltungen unter Beachtung der aktuellen Hygienemaßnahmen statt.

Wir beginnen mit Familie direkt am 4. November. Unsere vertrauten Gäste Cennet Alkan, Margarete Groschupf, Wilfried Happel, Signe Ibbeken und Sabine Schönfeldt, die uns in der Vergangenheit wiederholt schöne Abende beschert haben, präsentieren uns diesmal eine Lesung, in der sich alles um den kleinsten Raum unserer Gesellschaft dreht. Mit Kurzgeschichten zeigen sie uns, wie skurril Familie sein kann und was das überhaupt zu bedeuten hat. Dabei werden sie an diesem Abend von Udo Agnesens auf dem Piano begleitet.

Am 5. und 6. November präsentieren wir Euch TextKörperKörperText, ein Projekt, das uns sehr am Herzen liegt! In Zusammenarbeit mit der Literaturinitiative handverlesen wurden Taube und hörende Künstler*innen eingeladen, einen gemeinsamen künstlerischen Abend zu gestalten. Das Ergebnis präsentieren uns Dana Cermane, Anna Hetzer, Jan Kress, Tabea Xenia Magyar, Tim Schwerdter und Laura-Levita Valyte dann in einer literarischen Performance und zeigen, wie hörende und Taube Autor*innen sich als Literaturschaffende auf Augenhöhe begegnen können. Wir sind sehr aufgeregt, wieder mit handverlesen kooperieren zu können! Lettrétage-Co-Hausleiterin Katharina Deloglu hat die Bedeutung dieser Kooperation vor kurzem in einem der Vorberichte zu „TextKörper – KörperText“ schon zusammengefasst: „Durch die Zusammenarbeit mit der Literaturinitiative ‚handverlesen‘ […] haben wir viel von Tauben Literaturschaffenden lernen können und möchten dies auch weiterhin tun. Denn Diversität und Inklusion müssen Schritt für Schritt erarbeitet werden.“ (Mehr dazu beim Börsenblatt und Buchmarkt)

Am 7. November präsentiert dann das Berliner Literatur- und Kulturmagazin metamorphosen seine 30. Ausgabe bei uns. In dieser dreht sich alles um „Strafen“ jeglicher Art, Form und Stärke – ob also Bestrafte, Bestrafende, strafende Texte, Texte über Strafen, Texte gegen das Strafen, Texte, die aus der Strafe hinaus geschrieben wurden und Texte, die überhaupt erst die Basis der Strafe bilden. Alles, was irgendwie mit Strafe zusammengehängt, ist Teil der neuen Ausgabe und wir sind gespannt auf die ganz eigenen Straftexte der Autor*innen Nadire Biskin, Leonhard Hieronymi, Lorenz Just und Frederik Tidén.

Am 11. November geht es weiter mit Kulp und warum er zum Fall wurde, dem neuen Roman von Ulrike Damm. Darin versucht der erblindete Protagonist an Wahrnehmung und Täuschung nicht zu scheitern und lehrt uns, welche Bedeutungen Sprache und ihre Nebensächlichkeiten haben kann. Dabei wird Sabine Herpichs Kurzdokumentarfilm „962 Meter – eine Textskulptur von Ulrike Damm“ gezeigt. In diesem schreibt die Autorin ihren Roman per Hand ein zweites Mal und verarbeitet ihn so zur Skulptur. Selbst sagt sie dazu: „Bei meinen Handschriften spreche ich von Übersetzungen, weil der Text die Form vorgibt. Ich lese meine Texte neu und finde dafür eine handschriftliche Form. Intuitiv. Da es meine eigenen Texte sind, muss ich nicht nach Interpretationen suchen. Kopf und Hand arbeiten gut zusammen.“ (Mehr dazu bei experimenta)

Darauf folgt die Lesung Grand Mal am 12. November, in der uns der Autor Daniel Breuer in die Geschichte einer Freundschaft im Chile der 1990er bis 2020er Jahre entführt. Darin verknüpft er persönliche Schicksale und kulturelle Eigenheiten und beweist, dass Hahnenkämpfe, Epilepsie, Nagelstudios, Sehnsüchte, Waschpulver, Goldfische und mehrere Erdbeben sehr wohl Platz in einem einzigen Leben haben können. Für die Arbeit an dem Roman erhielt Daniel Breuer das Arbeitsstipendium der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Die deutsch-chilenische Wochenzeitung Cóndor schrieb dazu: „Dass es Daniel Breuer in seinem neuen Roman gelingt, nicht nur die komplexen Identitäten und Beziehungen seiner Figuren aufzufächern, sondern auch vielfältige Dynamiken kulturellen Erbes und Austausches zu reflektieren, ist seinem Erzählstil zu verdanken. Er changiert zwischen drastischem Realismus und einfühlender Poetik, sowie zwischen Figurenperspektiven und Zeiten, bleibt dabei aber immer sprachlich präzise. Hier zeichnet sich eine ebenso moderne wie einzigartige Perspektive ab, die durch eine aufregende literarische Stimme vermittelt wird.“ (Mehr dazu bei der Wochenzeitung Cóndor)

Der 13. November verspricht dann all jenen viel, die sich im vergangenen Jahr mit dem Begriff der Anwesenheit auseinandergesetzt haben. Denn im Rahmen eines interaktiven Forschungsabends laden uns unsere Gäste Konstantin ‘Die Tür’ Ames, Andreas Drescher und Lettrétage-Mitbegründer Tom Bresemann zu Nachhalligkeit ein, um im Post-Lockdown-Jahr nach der Rolle des Live-Publikums im Kulturbetrieb zu fragen. Dabei möchten die drei Autoren nicht allein als Forschende auftreten, sondern selbst Forschungsobjekte sein. In diesem Sinne stellen sie uns aktuelle und auch in Arbeit befindliche Projekte vor und beobachten, wie Autor*innen vom Publikum auf- und wahrgenommen werden. Sie zeigen uns dabei also, was es braucht, um nicht nur vor Publikum zu lesen, sondern vor allem vom Publikum selbst gelesen zu werden.

Es folgen Die geflügelten Ferse am 14. November. Der Autor Matthias Müller-Lentrodt lädt uns mit der Präsentation seines neuen Buches zu einer literarischen Weltreise ein. In dieser bringt er uns mit erzählenden, essayistischen und lyrischen Textes seine langjährige (über 25 Jahre!) Reiseaktivität durch Europa und Asien näher. Dabei zeigt er Bilder von seinen Reisen, die musikalisch mit seinem Vortrag rhythmisiert sind, und verspricht damit einen Abend, der nach Austausch mit dem Publikum sucht.

Am 18. November lässt uns Wolfgang Franßen dann mit seinem Debütroman in die Geschichte von Mado eintauchen, einer jungen Frau, deren Leben von Gewalt und der Suche nach Zuflucht gekennzeichnet ist. Wolfgang Franßen selbst, der eigentlich Verleger ist und sich mit diesem Roman zum ersten Mal als Autor versucht, meint: „Mado ist die Geschichte einer Familie. Eine Geschichte über die Zwangsläufigkeit von Verlust, Selbsttäuschungen und Aufgabe. Wenn darin Gewalt vorkommt, dann fokussiert sie alles auf den Wahnsinn, der zwangsläufig anwächst, wenn eine gewisse Grenze überschritten ist.“ (Mehr dazu beim Buchmarkt)

Wie es damals noch war, vor der Wende, in der DDR, erfahren wir am 19. November in Dresden. Der Autor Michael Göring erzählt uns dann von Fabian, der Student in Köln ist, 1975 das erste Mal nach Dresden fährt und danach fast jedes Jahr wiederkommt. Nicht nur wegen Anne. „Der Roman „Dresden“ ist eine warmherzige Familien- und Freundschaftsgeschichte. Michael Göring nimmt uns mit in die DDR: Manchmal meint man die Zweitakter riechen zu können, oder glaubt, selbst über die rundgefahrenen Kopfsteinpflasterstraßen zu rumpeln. Göring weiß, wovon er schreibt, er war selbst in den 1970er-Jahren häufig in der DDR zu Besuch. Inzwischen sei er jedoch erschüttert, wie wenig die Menschen in Deutschland noch vom Alltag in der DDR wüssten – oder die Erinnerung durch Ostalgie geschönt sei.“ (Mehr dazu bei NDR Kultur)

Für Literatur am helllichten Tag sorgt am 21. November dann wieder unser Kizewalk als Teil des Lesefestivals „Sag, Auguste“. Diesmal nimmt uns Alisha Gamisch mit auf einen Lyrikwalk durch den Auguste-Viktoria-Kiez, zeigt uns den Stadtteil mit ihren Augen und liest aus ihrem Debüt Lustdorf. Darin verwebt sie die Beziehung von Großmutter und Enkelin, von Russland und Deutschland, von Rückkehr und Migration und letztendlich von Mutter- und Großmuttersprache, denn „wenn eine oma spricht / höre ich zweihundert jahre gefrorene sprache“, so das Lyrische Ich. Das Lyrik Kabinett meint dazu: „‚lustdorf‘ umkreist „eine Oma“ – als Chiffre für Fragen nach Geschlechterrollen und (auch transgenerationellen) Traumata, Mehrsprachigkeit oder Migration, wobei sich Abgründe dieser Themen oft gerade unter scheinbar Harmlosem auftun.“ (Mehr dazu beim Lyrik Kabinett)

Am selben Tag noch findet abends die Latinale bei uns statt, ein Poesiefestival, das seit 2006 lateinamerikanische und deutsche Lyriker*innen miteinander vernetzt. An diesem Abend aber lädt das Kollektiv Pasajero del Muro im Rahmen eines Open Mics alle Interessierten dazu ein, eigene spanische und/oder deutsche Texte vor Publikum zu lesen und anschließend gemeinsam darüber zu sprechen. Damit möchte der Abend beweisen, dass Jede*r lyrisches Potenzial in sich birgt und daher immer ein offener Raum, in dem Austausch gelingen kann, geschaffen werden muss.

Am 24. November stehen uns dann Vortrag und Gespräch mit Ute Frevert und Peter Zwanzger bevor. In UMGEHEN MIT GESPENSTERN. Angst und Demokratie in der Gegenwart. hinterfragen die beiden Vortragenden Bedeutung und Charakteristik von Ängsten in der Gegenwartsgesellschaft. Dabei reflektieren sie auch den gesellschaftlichen Umgang mit den eigenen sogenannten „Gespenstern“ und zeigen, dass Angst in der Gesellschaft keine homogene Kategorie sein kann. Beim Deutschlandfunk hat Ute Frevert dazu bereits gesagt: „[…] von der ganzen Gesellschaft und der Vorstellung, dass eine Gesellschaft sozusagen im Einklang fühlt, ist ebenso wenig auszugehen wie von der Vorstellung, dass eine Gesellschaft im Einklang denkt oder handelt. Gesellschaften sind auch damals schon sehr plural.“ (Mehr dazu beim Deutschlandfunk)

Der zweite Zeitschriften-Release in diesem Monat findet am 26. November statt. Die Literaturzeitschrift BELLA triste präsentiert zum 61. Mal junge Stimmen deutschsprachiger Gegenwartsliteratur und – wie sie es selbst sagt – ihrer Zukunft. Dieses Mal bieten uns Franziska Gänsler, Hannah Sehl, Sibylla Vričić Hausmann und Leonie Lorena Wyss ein vielversprechendes Repertoire an lyrischen, prosaischen und dramatischen Texten, die zeigen, dass Nachwuchsautor*innen der Polyfonie der Literarturlandschaft noch immer eigene Akzente engegensetzen können.

Den Schluss macht am 27. November die beliebte Varieté-Reihe des Kollektivs Poetic Hafla in ihrer #45sten Auflage. Treue Fans der Lettrétage werden sich sicherlich an die vergangenen Abende mit dem Kollektiv erinnern, die neben ereignisreichen Performances auch immer ordentlich für Party gesorgt haben. Das Kollektiv, bestehend aus Spoken-Word-Artist*innen, Tänzer*innen und Schauspieler*innen „straight outta Middle East Kreuzberg“, versucht stets, zwischen Party und Performance, das interkulturelle Leben Berlin-Kreuzbergs auf die Bühne zu bringen. Ein Abend also, der mehr als nur eine Vorführung verspricht!

Wir freuen uns, diesen vollen Literaturnovember mit Ihnen zu begehen!

Das Programm der Lettrétage lebt von der freien Literaturszene Berlins. Wenn Sie Ideen für eine Veranstaltung in der Lettrétage haben oder als Literatur-Aktivist*in kostenfrei unsere Räume nutzen wollen, dann kontaktieren Sie uns. Als Ankerinstitution für die freie Literaturszene stehen wir Ihnen mit unserer Infrastruktur gerne zur Seite.