Zitat der Woche

Wenn die Frau Mutter wird, wechselt die Maßeinheit für ihren Wert von der Anziehungskraft zu körperlichem Durchhaltevermögen. Mutterschaft kann mit dem Tragen gewisser religiös kodierter Kleidungsstücke verglichen werden. Das Fleisch wird anonym, geschaffen für anderes als Begierde. Die Mutter soll kein Individuum sein, das – dank ihrer einzigartigen Proportionen; Taillenumfang im Verhältnis zur Länge der Nägel – von anderen unterschieden werden kann. Deshalb soll sie nicht mehr bei ihrem Namen genannt werden, oder bei einem ono­ma­to­po­e­tischen Gleichnis. Sie soll stattdessen, wie alle Werkzeuge, ihrer Funktion nach bezeichnet werden.

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Zitat der Woche


Rückwärts ging er in die Wohnung zurück. Die Frauen am Himmel ließ er nicht aus den Augen. Früher als erwartet entwichen selbst Nachzüglerinnen. Die Balkontür stand offen. Das Geländer war leicht zu überwinden. Er bräuchte nur etwas Anlauf zu nehmen. Dieses Land, sagte Anton, ist ein sehr schönes Land.

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Zitat der Woche


Hellgrüne Spitzen ragen
über die Dächer meiner Straße.
Das Haus gegenüber verdeckt den Stamm des Baums,
in den äußersten Fortsätzen der Peripherie
vollzieht sich die Verwandlung.
Im Haus wohnt der junge Schauspieler
aus „Als wir träumten“,
steht mit nackter Brust auf dem Balkon,
die Familie aus Irak: die Frau raucht,
putzt die Wand, das Mädchen hängt Wäsche auf.
Im Parterre vier Bauarbeiter aus Bulgarien auf Plastikstühlen,

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Zitat der Woche


raureif – dann raube ich ergeben noch etwas licht

einbußen verflimmern in gehäusen gedrehter worte

o lass uns lauffeuer entzünden, verwundete sein

oft überlebt das helle im dunklen, verwandelt bruch-

stücke in selbstbilder, deckt sich ein mit vorzeichen

die richtlinienblätter sind; das zu erwartende korn

gezeichnet wie insignien im schlickigen tintenpilzlicht

essbar, da mundraub als mammutaufgabe jetzt währt

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„Klassismus war für mich sehr prägend in meinem Heranwachsen und begleitet mich zum Teil noch heute.“ – Interview mit Katharina Warda von „Let’s Talk About Class“

Ab Herbst 2022 ist die Lettrétage Gastgeberin von „Let’s Talk About Class“ – einer Diskussionsreihe zum Begriff der Klasse und seinen unterschiedlichen theoretischen wie praktischen Verflechtungen: „Deutschland ist“, so die Ausgangsbeobachtung, „eine Klassengesellschaft, die so tut, als wäre sie keine. Das macht sie besonders undurchlässig. Darüber zu reden, wie soziale Herkunft Lebenswege bestimmt, ist fast ein Tabu. Diese Scham wollen wir überwinden: Die Lese-Performance-Gesprächsreihe „Let’s Talk About Class“ bahnt Wege aus dem Klassenkrampf.“

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Zitat der Woche

Frauen auf Friedhöfen I

In letzter Zeit dehne ich meine Spaziergänge gern noch etwas weiter aus und bin dabei auch auf die umliegenden Friedhöfe ausgewichen. (…) Manchmal begleitet mich meine Tochter und mittlerweile kennen wir die Wege, die Plätze mit den Ehrengräbern und wissen inzwischen, wer da liegt und was sie zu Ehren kommen ließ. Meistens sind es bekannte Männer, wie die Brüder Grimm oder der Mediziner Rudolf Virchow, Verleger wie Bock oder der Bildhauer Drake und der Archäologe Curtius, deren Namen wir schon mal gehört haben. Selten finden wir auch ein weibliches Ehrengrab. Es sind insgesamt drei auf dem Alten St.-Matthäus-KirchFriedhof, nämlich die von Minna Cauer, Hilde Radusch und Hedwig Dohm. Alle drei Feministinnen und Frauenrechtlerinnen, wie wir herausfinden, denn ihre Namen sagen uns leider nichts. Auf einer Bank in der Nähe lesen wir im Handy, dass Hedwig Dohm 1831 als eines von achtzehn Kindern geboren wurde und es schaffte, Lehrerin zu werden, obwohl sie im Gegensatz zu den Brüdern nicht auf das Gymnasium gehen durfte. Sie selbst bekam fünf Kinder, schrieb zahlreiche feministische Bücher, in denen sie die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie das Stimmrecht als einer der Ersten in Deutschland forderte – was der bürgerlichen Frauenbewegung insgesamt viel zu radikal erschien.

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Zitat der Woche

Ich bin wie die Mainstreammedien: Niemand glaubt mir. Keiner hält sich an meine Ratschläge. Ich bin die Kassandra vom Prenzlauer Berg. Das ist mein Schicksal und ich habe es akzeptiert. Es ist gut so. Denn seht euch doch die Leute an, denen die Leute glauben. Das sind die Schlimmsten von allen. Ich weiß es, denn ich habe auch schon Leuten geglaubt. Und das waren die Schlimmsten von allen. Aber ich: Egal, was ich sage, niemand glaubt mir, alle winken ab. Sowie ich meine Weisheiten verkünde, werden die Blicke glasig.

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