Interview mit Delphine de Stoutz von La CoLec

Am 18. Juni kommt das französischsprachige Schreibnetzwerk „La CoLec“ (Comité de lecture des écritures dramatiques francophones féministes) in die Lettrétage. Bei D’APRÈS ELLES #1 präsentieren die Autorinnen der Initiative Lesungen, Performances, Videos und Musik – auf Französisch und Deutsch. Oder wie es in der Ankündigung heißt: „Diese sechs Frauen erzählen uns von dem, was sonst lieber verschwiegen wird. Was sie uns da ins Ohr flüstern, ist voller Witz, Melancholie, Feinsinn, Kraft und Wut. 100% Berlin, 100% weiblich*.“ Wir haben mit Delphine de Stoutz von La CoLec über die Literaturinitiative und ihre Hintergründe gesprochen.

© Pidji Photography / Pierre-Jérôme Adjedj

Seit wann gibt es La CoLec und aus welchen Beweggründen wurde das Kollektiv gegründet?

La CoLec, gegründet 2017, ist ein professionelles Berliner Lesekomitee für zeitgenössische französischsprachige Frauen- und feministische Literatur. Am Anfang bestand der Wunsch, in Berlin die treibenden Kräfte des zeitgenössischen französischsprachigen Theaters und Schreibens zusammenzubringen.

Im Laufe der Zeit schlossen sich immer mehr Autorinnen diesem Komitee an und kamen schnell auf die Idee, ein Netzwerk (das Netzwerk französischsprachiger Autorinnen in Berlin) zu gründen, um Brücken zwischen der deutsch- und französischsprachigen Literaturszene zu schlagen. Zu oft schauen wir als Autor*innen auf unser Herkunftsland und wenden uns von der Stadt oder dem Land, in dem wir leben, ab. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Verlage noch zu sehr in den Fesseln der Sprache gefangen sind. Indem wir diesen Zustand durchbrechen, indem wir uns auf das konzentrieren, was uns verbindet und nicht auf das, was uns trennt, können wir große Dinge tun, und das ist es, was uns motiviert.

Dieses sehr junge Netzwerk (gegründet im März 2019) hat bereits mehr als vierzig Mitglieder und organisiert monatlich Stammtische, wo wir uns über die Schwierigkeiten der Autorinnenarbeit im Ausland austauschen, die es zu bewältigen gilt. Die Erfahrung einer jeden von uns ermöglicht es, ein breites Beratungsspektrum anzubieten. Es ist auch ein privilegierter Moment für Träume und Projektentwicklung. Mit Beginn des nächsten Schuljahres möchten wir auch französische und deutsche Fachleute zu jeder Sitzung einladen, um Brücken zu bauen und Partnerschaften aufzubauen.

Zusätzlich zu diesem Stammtisch bieten wir einen wöchentlichen Schreib- und Leseworkshop an. Den Autorinnen bietet das wertvolle Hilfe, es ist aber auch eine Möglichkeit, das Schreiben der anderen kennenzulernen. Es ist erstaunlich, zu sehen, wie sich Berlin in unsere Sprache einmischt.

Schließlich gibt es noch die „D’après elles“ („Nach ihren Meinungen“ grob übersetzt) Veranstaltungen. Das Treffen am 18. Juni ist die erste, aber sicherlich nicht die letzte. Neben diesen performativen Abenden mit den Autorinnen organisieren wir Veranstaltungen rund um Kinderliteratur und Illustration, Lesebühnen, literarische Aperitifs, Performances, etc. Wie Sie sehen können, mangelt es nicht an Ideen.

Welche Themen beschäftigen euch konkret?

Natürlich spielt die Frage nach dem gesellschaftlichen Platz von Frauen eine wichtige Rolle in unserer Arbeit. Das hat zwei Aspekte. Der erste könnte wie folgt zusammengefasst werden: Ist man zur Frau geboren, oder wird man zur Frau? Der zweite betrifft insbesondere die Schwierigkeiten, auf die Künstlerinnen stoßen, weil sie Frauen sind. Diese beiden Achsen überschneiden sich, und ich denke, dass wir am Ende eine künstlerische Identität fördern, die spezifisch für unser Geschlecht, unsere Sprache, aber auch für Berlin ist.

Bei D’APRÈS ELLES #1 wird gelesen, gesungen, performt und mehr. Was verbindet euch aus künstlerischer Sicht?

Ich denke, ich beantworte das ein wenig in der vorherigen Frage. Was uns verbindet, ist vor allem unser Geschlecht, unsere Sprache, unsere Stadt. Eine Mischung aus angeborenem und erworbenem Wissen, ein genetischer Zufall gemischt mit einer Lebensentscheidung. Bei den Autorinnen des Netzwerks finden wir alle möglichen literarischen Genres, und doch spüren wir jedes Mal eine „Vertrautheit“, die, wie ich denke, mit diesen drei Faktoren verbunden ist. Wenn nicht, wie wäre das sonst möglich?

Der Abend am 18. Juni unterstreicht dies. Wir vermischen Journalismus mit Poesie, Prosa und Musik ohne Scham, denn intuitiv macht es Sinn.

Als französischsprachige Wahl-Berlinerinnen: Wie nehmt ihr die lokale Literaturszene wahr?

Es ist Berlin und nur Berlin zu verdanken, dass ein solches Projekt geboren werden kann. Babel-Berlin. Eine einzigartige Stadt, in der es normal ist, jeden Tag in vier verschiedenen Sprachen zu sprechen. Wo junge Menschen am Montagabend Schlange stehen, um unbekannten Autor*innen zuzuhören, die Texte lesen, die noch roh sind. Wo jede*r Literaturliebhaber*in jeden Tag drei oder vier verschiedene Veranstaltungen besuchen kann. Wo Dutzende von Bars einen Leseraum haben. Die französische Literaturszene wirkt im Vergleich dazu langweilig und schläfrig. Hier erleben wir die Begeisterung, die Pluralität auf einem experimentierfreudigen Spielplatz.

Unser Motto für den 18. Juni lautet wie folgt : Hör auf, der Stadt den Rücken zu kehren, sondern greife nach ihr und tanz.

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