Die Lettrétage im Januar

Es wurde gemeinsam geredet, gegessen, gelacht und auf den Putz gehauen. Nun sind die Feiertage vorbei und die Lettrétage wünscht Ihnen allen ein frohes Neues Jahr! 

Nach dem kalendarischen Neustart kommt der literarische: Wir läuten 2022 mit einem spannenden Januar-Programm ein, das neben Lesungen und Buchpräsentationen auch Lesereihen und offene Bühnen von alten und neuen Freund*innen der Lettrétage für Sie im Angebot hat!

Den Anfang macht die Lesung D’après Elles am 19. Januar. Das im Frühjahr 2020 gegründete Projekt Hôtel des Autrices lädt an diesem Abend französische und deutsche Autorinnen aus Berlin zu einer Lesung ein, in der das Schreiben von Frauen und die Formen von digitaler Literatur im Vordergrund stehen. Die Autorinnen des Abends, Maike Wetzel, Marylise Dumont und Julie Tirard, werden nicht nur lesen, sondern sich auch diskursiv mit diesen Themenfeldern auseinandersetzen. Das Hôtel des Autrices versteht sich als eine Plattform, die unterschiedliche Zugänge des literarischen Schaffens erkundet und dabei insbesondere weibliche Schreibende zu fördern versucht. Es folgt der Überzeugung, dass die politischen, physischen und sozialen Räume, die Frauen für ihr Schaffen zur Verfügung stehen, nicht nur fragil, sondern auch strukturell ungeeignet sind. Der Topos des Hotels steht für ein Modell, das diese Schwierigkeiten berücksichtigt: Im Hôtel des Autrices ist nämlich jeder Text Material für die Entwicklung eines gemeinsamen geistigen Raumes, der ständig neu erfunden wird. Wir sind gespannt auf diesen Abend mit Lesung, Diskussion und kulturellem Austausch!

Am Tag darauf, dem 20. Januar, geht es mit unserem regelmäßigen Gast, dem Konzept*Feuerpudel und seiner Anonymen Lesereihe, weiter. Die Lesereihe findet monatlich an unterschiedlichen Orten der freien Literaturszene Berlins statt. Es versteht sich als sogenannte „Vorlesebühne“, denn beim Pudel liest nur einer, namentlich Diether Kabow, Texte vor, die im Vorfeld eingereicht wurden und deren Urheber*innen sich während der Lesung anonym unters Publikum mischen, um die Wirkung eines Textes nicht von der Person der*des Autor*in abhängig zu machen, sondern ihn für sich selbst sprechen zu lassen. Das heißt, „bei der Lesereihe gilt: Anonymität statt Personenkult. Spaß statt Ellbogen. Jede*r kann einreichen – egal ob Sybille Berg* oder Max Mustermann, im Rampenlicht stehen die Texte – egal welchen Professionalisierungsgrads. Entscheidend für den Gewinn ist nur, wie sie beim Publikum ankommen. Alle haben dabei die gleichen Chancen: welcher Text von Diether Kabow vorgelesen wird, entscheidet das Los.“ Dabei kommentiert ein*e Illustrator*in parallel zur jeweiligen Lesung die Texte zeichnerisch auf einer Leinwand, bis zum Schluss drei Gewinner*innen durch Publikumsentscheid gekürt werden und sich entsprechend feiern lassen können. Ein Abend also, der die Formen der klassischen Lesung unterläuft und damit mehr als reinen Vortrag verspricht!

Am 22. Januar haben wir die Kölner parasitenpresse bei uns zu Gast. Bei Die idiotische Wucht stellt sie ihr aktuelles Verlagsprogramm mit den zuletzt erschienenen Büchern vor. Dabei liest Sünje Lewejohann aus ihrem Gedichtband DIE IDIOTISCHE WUCHT DEINER WIMPERN sowie neue Gedichte, Sarah Claire Wray aus ihrem Debütband SIEBEN UTOPISCHE DINGE, Pablo Jofré wiederum Gedichte seiner Eisenbahnreise von Berlin nach Manila und Mathias Traxler stellt seine Übersetzung von Álvaro Seiça aus dem Portugiesischen vor. Der Abend wird vom Verlagsleiter Adrian Kasnitz moderiert, der zudem aus seinem KALENDARIUM liest. KALENDARIUM ist der siebte Band seines gleichnamigen KALENDARIUM-Zyklus und umfasst 31 Gedichte für den Monat Juli: „Schwimmen, Melone essen, lieben, den Tag auskosten, als gäbe es kein Morgen, heißt auch zu wissen von der Brüchigkeit der Welt, dem verlorenen Paradies, von den Stellen, die schon zerstört sind, den sterbenden Korallenriffen, den eingepferchten Tieren, dem stinkenden Fluss. Immer begleitet von dem Wunsch, die Stadt zu fluten oder alles in Flammen aufgehen zu lassen. In Dystopie und Endzeitstimmung bei knapp 40°C gleiten die Texte. Und doch bleibt der Versuch, das Glück zu fangen, ‚das Unwiederbringliche am Abend bei den Containern‘. Die Gedichte sind ‚kleine versteckte Scherzpistolen / die wir uns in den Mund stecken, tief hinein‘. Und wieder zum Vorschein kommt die Welt, die wir gerupft und verschlungen haben. Neben den Gedichten enthält das Buch vier Collagen des Autors.“ (Mehr dazu bei der parasitenpresse)

Am 27. Januar geht es mit Ein Abend der kleinen Form weiter. Jonathan Böhm, Martin Lechner und Tobias Premper werden im Rahmen einer Lesung ihre jüngsten Werke vorstellen, die die Prosaminiatur ins Zentrum rücken. Die Autoren gehen dabei der Frage nach, warum die Kurzprosa auch noch in Zeiten, in denen unsere Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird, ein Nischendasein fristet. Zu diesem Zweck stellt Jonathan Böhm seinen Debütroman WIR SIND ALLEIN UNTER DEN BÄUMEN: RICHARD IST TOT vor. Darin nimmt er uns in die Geschichte einer jungen Gruppe von Freund*innen mit, die sich zwar im Laufe der Jahre durch unterschiedliche Lebenswege entfremdet haben, doch anlässlich des Todes ihres Freundes Richard durch die Erinnerung wiedervereint werden. Mittels der verschiedenen Erzählperspektiven und -zeiten entwirft der Autor ein Puzzle, das die Biografien der Protagonist*innen wie durch ein Kaleidoskop präsentiert. „Böhms Stil ist lyrisch, seine Stimme melancholisch, und er findet tiefgründige Bilder für das Lebensgefühl dieser Generation, die den Wandel im Osten durchlebt hat wie keine andere: der See, der durchschwommen wird, der zufriert und dabei einen Schwan birgt, die Lichter Schwerins bei Nacht am anderen Ufer, oder das ferne Dänemark jenseits der Ostsee als Sehnsuchtsort. Ein starkes und kunstvolles, ein wichtiges Romandebüt.“ so Anna Hartwich im NDR. Martin Lechner und Tobias Premper stellen wiederum GELATI! GELATI! vor, ein Band mit Prosaminiaturen, in denen vielerlei steckt: „Ein bei Nacht schwarz die Hafenmauer hochleckendes Meer, zum Beispiel, oder traurig dumme Duschgesänge, eine menschenfressende Couch, nachmittäglich stehengebliebene Musikschuluhren und Trauben, die weich sind wie der Mond.“ Wie es dazu kam? „Auslöser waren störrisch steckengebliebene Texte, Fundstücke aus dem Satzteillager oder noch völlig ungekochte Notizen. Gemacht werden durfte damit nichts weniger als alles. Das ergab ein wildes Textetennis, in dessen Hinundhergesause die Frage der Urheberschaft zusehends verwischte.“ Ralf Junke meint in der Leipziger Zeitung dazu: „Ein Lesevergnügen für alle, die gern einmal 99 Geschichten auf einmal in der Hand halten möchten. Und gespannt darauf sind, wie sie diesmal nicht ausgehen.“

Den Schluss unseres Januar-Programms macht das Kollektiv Fiction Canteen mit ihrer Lesung Fiction Canteen restarts am 28. Januar. Lucy Jones und Rick Palm, die Veranstalter*innen des Abends, stellen zwei bis drei Autor*innen und ihre aktuell in Arbeit befindlichen Projekte vor, die für diese Lesung eingereicht und ausgewählt wurden. Die vorgestellten Autor*innen sind trans oder gender-nonconforming und schreiben auf Englisch. Nach der Lesung der „Work-in-progress“-Texte wird das Publikum zur gemeinsamen Diskussion der Texte eingeladen, damit sich nicht nur die Autor*innen über ihr Schreiben austauschen können, sondern auch das Publikum unmittelbar mit Feedback auf das Gelesene und Gesprochene reagieren kann – auf dass Ideen miteinander geteilt werden, man sich von den Arbeiten der anderen inspirieren lässt, Schreibhemmungen überwindet und in Kontakt mit Autor*innen und Literaturinteressierten tritt. Wir sind also gespannt auf einen Abend, der nach offenen Grenzen zwischen Autor*innen- und Zuhörer*innenschaft sucht!

Und so freuen wir uns, das Literaturjahr 2022 mit Ihnen gemeinsam zu begehen. Auf bald in der Lettrétage!

Das Programm der Lettrétage lebt von der freien Literaturszene Berlins. Wenn Sie Ideen für eine Veranstaltung in der Lettrétage haben oder als Literatur-Aktivist*in kostenfrei unsere Räume nutzen wollen, dann kontaktieren Sie uns. Als Ankerinstitution für die freie Literaturszene stehen wir Ihnen mit unserer Infrastruktur gerne zur Seite.

Bitte beachten Sie: Damit Sie Literatur weiterhin live erleben können, finden alle Veranstaltungen unter Beachtung der aktuellen Hygienemaßnahmen statt. Für alle Veranstaltungen in der Lettrétage gilt 2G+. Besucher*innen der Lettrétage müssen nachweislichgeimpft und/oder genesen sein; das gilt für sämtliche Veranstaltungen unabhängig der Größe. Außerdem müssen sie durchgehend in allen Räumlichkeiten der Lettrétage einen Mund-Nasen-Schutz tragen.