Zitat der Woche

Er hatte starke Äste und stärkere Wurzeln,
Verflechtung grüner Blätter im Frühling.
Im Winter weiß, in voller Schneeblüte,
Im Herbst – unter und über uns – 
Goldenes Leuchten.

Obgleich sie ihn gefällt haben,
Haben sie es nicht vollbracht
Die verwurzelte Überzeugung auszumerzen,
Dass sich verzweigte Arme
Gen Himmel recken,
Sich nachts umarmen, während wir schlafen,
Und uns vor bösen Winden schützen.

Glaubst du es, wenn sie beteuern, – 
Die Welt sei unveränderlich,
Dir beibringen, dich selber zu ändern,
Denn – so steht es in den Füßen geschrieben,
Die zusehen, über wen sie gehen,
Und achtgeben, nicht zertrampelt zu werden,
In den vergifteten Tiefen deiner Augen
Versinkt dann ein schwarzer Punkt,
Vollzieht sich die Miosis des Kosmos,
Gebündelt in einem Modell, das den Verlust verkörpert – 
Abschaben der Hoffnung, des Gewissens und des Egos,
Während du achselzuckend
Aufs Neue den Baum fällst.

Und ich denke, die Pupillen des Weltalls
Erlöschen genau dann
In seinen Iris,
Die in den Jahresringen sterben,
während das Ganze bebt,
Vielleicht zum letzten Mal,
Im Unglauben ob deines
Aufgebens.

Amina Hrnčić: Wenn sie den alten Baum töten, in: Lichtungen, Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik, 164/2020