#lettretalks: „Einen lebendigen und integrativen Raum für den kulturellen Austausch schaffen“ – Interview mit dem Kurator Felipe Sáez Riquelme über SIESTA

(c) Maria Rapela

Von Januar bis Juni begrüßen wir das mehrsprachige, interkulturelle Siesta Festival in der Lettrétage.

An drei Abenden bringt Siesta in der Veranstaltungsreihe PANORAMA verschiedene lateinamerikanischen Autor:innen, die in Berlin leben und auf Spanisch und Portugiesisch schreiben, zusammen. Gemeinsam mit Übersetzer:innen bringen die Autor:innen ihre Texte klanglich, visuell und performativ auf die Bühne. Ziel ist es, auf diese Weise ein Panorama der lateinamerikanischen Literaturen in Berlin zu schaffen.

Los geht es am kommenden Freitag, den 27. Januar, mit den Autor:innen Juan Ignacio Chávez, Martha Gantier, Ingeborg Robles und den Übersetzerinnen Monika Jorge Mateo, Laura Rogalski und Jacqueline Schauer.

Zum Auftakt der Reihe haben wir mit dem Kurator und Organisator der Reihe, Felipe Sáez Riquelme, über die Hintergründe von SIESTA, die Programmgestaltung und darüber, was das Publikum am 27. Januar, am 13. April und am 15. Juni erwartet, gesprochen.

Am 27.01. findet die erste Veranstaltung der dreiteiligen SIESTA-Reihe „PANORAMA“ statt Was ist das Ziel der Reihe?

Das Hauptziel von SIESTA ist es, die reiche Kreativität lateinamerikanischer Künstler*innen und Schriftsteller*innen zu präsentieren. Durch die Zusammenführung von über 20 Künstler*innen und den Wechsel von Portugiesisch, Spanisch, Deutsch und Englisch wird jede Veranstaltung zu einer einzigartigen Konvergenz künstlerischer Perspektiven. Wir haben diese Veranstaltungsreihe PANORAMAS genannt und wollen eine Plattform für verschiedene Sprachen, Stimmen und Ausdrucksformen bieten, um einen lebendigen und integrativen Raum für den kulturellen Austausch zu schaffen.

Wie haben Sie das Programm zusammengestellt? Was verbindet die Beteiligten über ihre gemeinsame lateinamerikanische  Herkunft hinaus?

Was uns vereint, als Berlin–Lateinamerikanische Autor*innen, ist diese Frage: Was bedeutet es, in einer anderen Sprache als der lokalen Literatursprache zu schreiben? Unsere Veranstaltungsreihe stellt die Arbeit von Künstler*innen vor, die außerhalb des lokalen Literatursystems arbeiten. Migration ist eine Art, in der Welt zu sein, und von dort aus ist sie auch eine Art, etwas zu schaffen. Von diesem Gedanken sind wir kuratorisch ausgegangen und haben die Heterogenität der Werke und der Ästhetik gesucht und verschiedene literarische Gattungen zusammengebracht, die das Wort in den Mittelpunkt stellen.

Die  Künstler:innen arbeiten mit Übersetzer:innen zusammen und kreieren somit eine Kombination aus deutschen und spanischen oder portugiesischen Performances. Inwieweit leistet eine Übersetzung in diesem Zusammenhang mehr als eine sprachliche Performance?

Bei der Übersetzung geht es nicht nur um die Worte oder die Bedeutung, sondern es ist eine Übersetzung, die versucht, die Literatur aus dem Buch herauszuholen. Aus diesem Grund handelt es sich um eine Reihe von performativen Lesungen. Jede Übersetzung hat mindestens zwei Dimensionen: eine Übersetzung in eine andere Sprache und auch eine Übersetzung des gedruckten Textes in den szenischen Raum. Oder anders gesagt: vom geschriebenen Wort zum lebendigen Wort, unter Einsatz des Körpers und der Stimme und unterstützt durch visuelle und akustische Materialien.

Es kann sogar sein, dass der:die ursprüngliche „Autor:in“ eines Textes die Übersetzung liest und der:die “Übersetzer:in” das Original, wodurch die Rollen des „Originals“ und der „Kopie–in–einer–anderen–Sprache“ aufgehoben werden. Oder der Text wird auf eine Leinwand projiziert und der:die Autor:in benutzt nur seinen:ihren Körper, um sein:ihr Gedicht „vorzutragen“. Kurzum: wir erforschen die Übersetzung im weitest möglichen Sinne.

The curatorial team collaborates with artists to transform traditional
readings through sound, visual, and performative elements.“ – Welche Idee steckt hinter dieser Transformation einer traditionellen Lesung ? Welche Effekte versprechen Sie sich davon?

Dahinter steht die Idee, das Buch als privilegiertes Objekt für Literatur und Kultur zu öffnen und es auf den szenischen Raum auszuweiten. Traditionelle Lesungen beruhen auf der Schriftkultur (daher die Bezeichnung „Lesungen“). SIESTA ist eine Reihe ohne Tisch, Wasserglas und lange Biographien. Es kommt nicht auf den Lebenslauf der Künstler*innen an, sondern auf das, was sie auf der Bühne vermitteln können. Wir möchten, dass das Publikum nicht nur die Erinnerung an einen fesselnden Abend mit nach Hause nimmt, sondern auch eine breitere Perspektive auf die Möglichkeiten der künstlerischen und literarischen Zusammenarbeit und die Vielfalt der lateinamerikanischen Literatur. SIESTA ist eine Einladung, Literatur auf eine Weise zu erforschen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, die über das Konventionelle hinausgeht.