5 Fragen an Peter Holland

In der Reihe „5 Fragen an…“ stellen wir Berliner LiteraturaktivistInnen vor. Ob AutorInnen, VerlegerInnen, VeranstalterInnen – mit uns sprechen sie darüber, was sie antreibt, was sie umtreibt und was sie überhaupt dazu bringt, sich literarisch zu engagieren.

Am kommenden Sonntag, 22. April, um 16 Uhr wird Peter Holland die neu gegründete Edition ultramar zu lateinamerikanischer Literatur im Verlag Reinecke &Voß vorstellen. Zu dieser Gelegenheit stellten wir ihm einige Fragen.

Gab es für dich ein Erlebnis, nach dem du beschlossen hast, dich literarisch zu engagieren – wann und wie ist der Funke übergesprungen?

Eigentlich wollte ich nie etwas anderes machen als „irgendwas mit Literatur“. Ich komme aus einer Familie, in der gerne und viel gelesen und vorgelesen wurde, ein großes Privileg; zu jeder Gelegenheit gab es ein Buchgeschenk. In der zweiten Klasse wollte ich Reiseschriftsteller werden (und hatte zur Übung schon mal die ersten Dschungelabenteuer verfasst), in der fünften Klasse wollte ich dann Bashō sein – seitdem komme ich von der Lyrik nicht mehr los – und in der zehnten Bibliothekar werden. Nach dem Abitur war klar, dass ich eigentlich nur Literaturwissenschaften studieren kann.

Nachdem ich im Studium unter anderem auch Niederländisch gelernt und mich ein wenig mit den entsprechenden Literaturen beschäftigt hatte, habe ich dem hochroth Verlag, die Herausgabe einer Reihe niederländischer und flämischer Lyrik vorgeschlagen. Das hat schließlich 2012 zur Gründung einer eigenen Dependance in Tübingen geführt, die nur wenig später mit nach Berlin zog, um mit dem ursprünglichen Verlag zu fusionieren. Davor hatte ich bereits ein wenig für Fachverlage gearbeitet, hochroth war dann mein Einstieg ins Verlegen und Herausgeben von Belletristik, insbesondere von Lyrik.

Wo in Berlin lebst und arbeitest du – und warum? Welche Rolle spielt die Stadt?

In Friedenau! Eigentlich bin ich zufällig da gelandet, glaube aber an die Magie der Orte und finde Traditionen wichtig, bin also im heutigen Schöneberger Süden an der Grenze zu Steglitz bestens aufgehoben. Hier haben ja mehr Schriftsteller (und Künstler, Verleger etc.) gelebt – oder leben noch hier – als ich jetzt aufzählen könnte, von vergessenen Expressionisten bis zu NobelpreisträgerInnen. Und Bücher kaufe ich beispielsweise in der Nicolaischen, der ältesten Buchhandlung Berlins – sie hält sich seit dem 17. Jahrhundert wacker –, oder in der ehemaligen Verlagsbuchhandlung von Kurt Wolff, die heute Zauberberg heißt und immer noch eines der besten Lyrikregale überhaupt hat! Und im S-Café, direkt am S-Bahnhof Friedenau, wurde vor ein paar Jahren auch hochroth gegründet …

Es hat natürlich auch ganz praktische Seiten, in Berlin zu sein: Viele AutorInnen und ÜbersetzerInnen, mit denen ich arbeite, leben hier oder kommen regelmäßig in die Stadt, ebenso KollegInnen, mit denen ich mich gerne austausche und etwas auf die Beine stellen kann.

Und wenn es mir zwischendurch doch mal zu arg wird, komme ich ja auch schnell von hier weg.

Wie soll es für dich weitergehen? Was sind deine Pläne, deine Ziele?

Letztes Jahr bin ich dann bei Reinecke & Voß eingestiegen; ein Verlag, mit dessen Programm ich mich zu 100% identifizieren kann. Ob es nun die Bücher junger Autorinnen wie Luise Boege oder Johanna Schwedes sind, die bei Bertram Reinecke debütierten, seine „Fundstücke“ aus dem Barock oder den mittel- und osteuropäischen Avantgarden, ob es das Werk von Jürgen Buchmann ist oder die griechische Gegenwartslyrik, die Dirk Uwe Hansen herausgibt – ich kann hinter allen Titeln von Reinecke & Voß stehen, was ich schon außergewöhnlich finde, und was auch bei keinem anderen Verlag, den ich kenne, in diesem Maße der Fall wäre. Gemeinsam wollen wir R & V in den nächsten Jahren schrittweise weiterentwickeln und insbesondere die Sichtbarkeit des Programms in verschiedenen Bereichen verbessern. Hinzu kommen meine Tätigkeiten im Veranstaltungsbereich sowie als freier Lektor und Herausgeber für andere Verlage. Besonders wichtig ist hier die Anthologie aktueller ungarischer Lyrik, die Orsolya Kalász und ich gerade zusammenstellen und gemeinsam übersetzen, und die im Frühjahr 2019 im KLAK Verlag erscheinen wird.

Wie ist die Idee zur Reihe edition ultramar entstanden?

Über hochroth haben sich schon bald gute Kontakte zur Latinale ergeben. Das hochroth-Konzept eignet sich ja unter anderem hervorragend dafür, solche Festivals mit kleinen Publikationen zu begleiten, hat allerdings auch seine Grenzen, wenn es zum Beispiel um umfangreichere Texte, bestimmte Gestaltungs- oder Fördermöglichkeiten geht, zumal sich alle Beteiligten ehrenamtlich engagieren. Allgemein hatte ich den Wunsch, zusammen mit einigen AutorInnen und ÜbersetzerInnen den nächsten Schritt zu machen, ihnen und mir mehr bieten zu können, als es bei und mit hochroth allein möglich ist. Die edition ultramar wird ebenfalls einen Teil des Latinale-Kosmos‘ in sich aufnehmen, und ist damit quasi auch eine Art Fortsetzung und Erweiterung des Lateinamerika-Programms bei hochroth, andererseits habe ich noch weitere AutorInnen im Blick, auch Klassiker, die hier kaum bekannt sind, und neben Lyrik auch Kurzprosa und Essays.

Was fasziniert dich an lateinamerikanischer Literatur? Welche Besonderheiten findest du besonders reizvoll?

Ich glaube nicht, dass sich die Literaturen Lateinamerikas auf einen Nenner bringen lassen, selbst wenn wir uns auf eine Region, Generation oder ähnliches beschränken würden. Die edition ultramar hat auch keinerlei repräsentativen Anspruch – die Position eines „gatekeepers“ einnehmen zu wollen oder zu sollen, fände ich furchtbar –, sondern spiegelt zuerst meine Lektüren und persönlichen Vorlieben. Diese sind sehr unterschiedlich und vielleicht gelingt es mir gerade im Rahmen einer solchen Reihe am besten, der Vielfalt einen gewissen Ausdruck zu verleihen, auch wenn das erst einmal paradox klingen mag. Das ist auch ein privater Bildungsauftrag an mich, den ich gerne mit möglichst vielen teilen möchte, ganz im Sinne eines „Fachverlags für Horizonterweiterung“. Wir kennen hier ja meist nur die einmal sehr erfolgreiche, sogenannte Boom-Literatur, die alles überdeckt, was davor, abseits davon oder danach liegt, und unser Bild von Lateinamerika ziemlich einseitig geprägt hat. Außerdem stehen für mich immer die einzelnen AutorInnen im Vordergrund, deren Texte ich wichtig finde, für die ich mich begeistere, mit denen ich gerne langfristig zusammenarbeiten möchte. Und ein Werk wie die „Zivilpoesie“ von Sergio Raimondi vermisse ich ganz einfach in der deutschen Gegenwartslyrik!


© privat

Peter Holland gibt die edition ultramar heraus. Er lebt als Verleger, freier Lektor und Literaturvermittler in Berlin. Organisator von Lesungen, Verlagspräsentationen, Literaturausstellungen und Buchbinde-Werkstätten.