5 Fragen an Chris Möller

In der Reihe „5 Fragen an…“ stellen wir Berliner LiteraturaktivistInnen vor. Ob AutorInnen, VerlegerInnen, VeranstalterInnen – mit uns sprechen sie darüber, was sie antreibt, was sie umtreibt und was sie überhaupt dazu bringt, sich literarisch zu engagieren.

In wenigen Worten: Was ist für dich das Faszinierende an Literatur? Was macht sie zu einem „Grundnahrungsmittel“?

Literatur fasziniert mich immer dann, wenn sie neue Worte für etwas findet, wenn ich in der Beschreibung einer Sache plötzlich mehr verstehe. Oder besser noch: wenn ich plötzlich nichts mehr verstehe, wenn ich umdenken muss, weil die Sprache eines Textes mich und meine Denkkonventionen vorführt. Das klingt jetzt verkopfter als es gemeint ist. Oft ist dieses Erlebnis auch einfach damit verbunden, wahnsinnig gut unterhalten zu sein – wie bei einer unerwarteten Pointe.

Kabeljau & Dorsch stellt bisher ungehörte Texte vor. Was ist für dich das Besondere an Texten, die noch nicht von Verlagen oder dem Literatur-Betrieb allgemein „zensiert“ wurden?

Ein Lektor ist kein Zensor. Das wäre ja schlimm! Ich glaube nicht, dass ein Text an sich schlechter wird, weil er auf den Markt geworfen wird. Die Probleme des Betriebs, die wir gesehen haben, sind andere. Zum Beispiel seine Stockigkeit, die Andacht der Literaturhäuser, die schlechtsitzenden Jacketts und Leseformate, die meist Verkaufsveranstaltungen für fertige Produkte sind. Der Betrieb hat wenig Kapazitäten fürs Suchen und Entdecken. Die Wege sind lang und Lesungen bekommen AutorInnen erst dann, wenn sie endlich gedruckt wurden. Wir wollten einen Ort mit weniger Hindernissen, auch für Unfertiges, um fantastische Texte zu feiern, auf die wir sonst viel länger warten müssten.

Ist der Anteil an bekannten und unbekannten AutorInnen an den Leseabenden ausgeglichen? Wieso ist es wichtig, noch nie gehörten AutorInnen eine Plattform zu bieten?

Weil sie noch nie gehört wurden und dringend gehört werden sollten. Aber klar, einige AutorInnen, die bei uns lesen sind weniger ungehört als andere. Wie ausgeglichen das Verhältnis ist, kann ich nur schwer sagen, weil bei jungen Autoren Bekanntheit ja oft nur innerhalb einer gewisse Szene gilt. Was ich sagen kann ist: Entscheidend bei unserer Auswahl für den Abend ist am Ende immer die Qualität der Texte unabhängig von der Bekanntheit des Autors. Umso schöner, dass sich das mischt. Es ist schön, dass Kabeljau & Dorsch mittlerweile auch als eine Art Netzwerk funktioniert, das einen Austausch zwischen den Lesenden schafft, nicht nur auf der Bühne sondern auch auf ein Bier bei den Gesprächen nach der Veranstaltung.

Jeden Monat werden fünf Texte vorgelesen, ihr als Redaktion trefft die Auswahl. Wie viele AutorInnen reichen durchschnittliche ihre Texte ein und was ist das Schwierigste am Auswählen?

Wir bekommen recht viele Einsendungen aber schwierig ist die Auswahl eigentlich selten. Wir haben gute Diskussionen über die Texte und werden uns meistens schnell einig. Ein wirkliches Problem ist eigentlich die fehlende Zeit, weil wir alle diese Treffen in unseren vollen Arbeitsalltag quetschen müssen. Mit mehr Zeit – was ja immer auch an das fehlende Geld gekoppelt ist – könnte man noch mal ganz anders und gezielter auf die Suche gehen nach neuen Stimmen.

Kabeljau & Dorsch gab es zuerst in Wien und jetzt seit ein paar Jahren in Berlin. Was eignet die Stadt Berlin für so eine Lesereihe?

Das stimmt so eigentlich nicht. Kabeljau gab es zuerst in Berlin und dann hatten wir für einige Zeit einen Ableger in Wien, den es jetzt vor allem deswegen nicht mehr gibt, weil keiner aus der Redaktion mehr dort wohnt. In Berlin gibt es eine sehr große Literaturszene, das ist die vielleicht die einfache Antwort.


© Nils Roman

Chris Möller, 1988 in Meschede geboren, studiert Angewandte Literaturwissenschaften an der FU Berlin und ist außerdem Teil der Redaktion von der Lesereihe Kabljau & Dorsch. Monatlich lesen fünf AutorInnen in der Bar Alter Roter Löwe Rein in Neukölln literarische Texte aller Art. Sowohl bekannte als auch unbekannte AutorInnen senden bisher ungehörte Texte ein, Auswalhkriterium ist schlichtweg die Qualität eines Textes. So gewährt Kabeljau & Dorsch einen Einblick in den gegenwärtigen Stand der Literatur, bietet Autoren die Gelegenheit auf sich aufmerksam zu machen und ihre Arbeiten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.