WiSU auf der BuchBerlin 2018

Die 5. BuchBerlin findet am 24. und 25. November 2018 von 10 bis 18 Uhr im Mercure Hotel Moabit, Stephanstraße 41, 10559 Berlin, statt. Die Lettrétage ist im Rahmen des WiSU-Projekts auch auf der BuchBerlin vertreten: An unserem Stand habt ihr direkt die Möglichkeit, euch zum Beispiel über Freiberuflichkeit, Künstlersozialkasse, Lesungsorganisation, Verlagsansprache oder andere Themen des Literaturbereichs zu informieren und eine Kurzberatung in Anspruch zu nehmen. Zur Anmeldung für die kostenfreien Einzelberatungen und mehr Informationen zu den Berater*innen geht es hier entlang. Wir haben im Vorfeld der Gründerin der Buchmesse Steffi Bieber-Geske ein paar Fragen gestellt:

Was unterscheidet die BUCHBERLIN von anderen Literaturmessen?

Auf der BuchBerlin findet man neben einigen bekannteren unabhängigen und Genre-Verlagen auch Aussteller, die man in Frankfurt und Leipzig nie treffen wird, weil sie sich die Standgebühr gar nicht leisten können. Man kann also ein paar echte Perlen entdecken – und ganz besondere Bücherschätze. Die Verleger sind in der Regel selbst am Stand, um sich direkt mit den Lesern auszutauschen. Auch viele Autoren sind die meiste Zeit vor Ort, um ihre Bücher signieren zu können. Die Atmosphäre ist familiärer und gemütlicher – genau das richtige also so kurz vor Beginn der Adventszeit.

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Zitat der Woche

Kein Mitleid mit dem Frieden

Blut kann nicht zu

Tinte werden

Das Geräusch der Tasten kann keine

Militärstiefelparade übertönen

Ein undiszipliniertes Gedicht kann

keinen unterwürfigen Dichter retten

Uns fehlt die Gewalt, zur neuen Sprache zu greifen

Uns fehlt die Kugel, die Macht (rasch) zu verändern

Die Faust, den Tag (rasch) zu verändern

Werden wir ein Gedicht. Werden wir beat. Werden wir Benzin

Lyrik heißt Attacke

Jazra Khaleed: Auszug aus Kein Mitleid mit dem Frieden. In: LICHTUNGEN; Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik. Jg. 2018, 155/XXXIX

Dr. Lothar Quinkenstein im Interview über „Die Zimtläden“ von Bruno Schulz

Am 4. November besucht uns der Lesezyklus Lektury – mit einem musikalisch-literarischen Abend über Bruno Schulz. Im Anschluss an die Lesung ist eine Diskussionsrunde zu Schulz‘ Erzählband Die Zimtläden geplant, an der neben der Literaturwissenschaftlerin Prof.  Brygida Helbig auch der Autor, Übersetzer und Literaturwissenschaftler Dr. Lothar Quinkenstein teilnehmen wird. Wir haben ihm im Vorhinein ein paar Fragen gestellt:

Die Erzählungen Die Zimtläden von Bruno Schulz erschienen 1934 in den politischen Wirren des frühen 20. Jahrhunderts in Polen. 1961 erschien die erste deutsche Übersetzung von Joseph Hahn. 2008 folgte eine Neuübersetzung von Doreen Daume. Warum ist das Werk von Schulz heute noch modern und aktuell?

LQ: Das Werk von Schulz ist zeitlos, in jeder Hinsicht universal. Ich weiß nicht, ob man einen zweiten europäischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts fände, der in so einzigartiger und vor allem in so konsequenter Form dem Rätsel der Existenz nachgespürt hat wie er. Wobei die Singularität nicht in diesem oder jenem philosophischen Ansatz besteht – das Philosophische gibt es sozusagen gratis dazu, und oft genug unter der Hand –, sondern in der unerhörten Melodie. Diese Erzählungen haben ja kaum Handlung im herkömmlichen Sinne. Was Schulz der Leserin und dem Leser bietet, sind Meditationen. Momente einer mystisch-luziden Versenkung in die Wirklichkeit. „Man könnte sagen, dass die Welt durch deine Hände gegangen ist, um sich zu erneuern“, sagt Szloma zur Erzählerfigur Józef in der „Genialen Epoche“, im Sanatorium-Zyklus, der die Gedankenfäden der Zimtläden aufgreift und weiterspinnt. Eben dieses Gefühl begleitet die Schulz-Lektüre – dass sich die Welt in diesen Erzählungen erneuert, etwas wiedergewinnt von dem verlorenen Glanz der „messianischen Zeiten“, wie Schulz das Potential seiner Imagination bezeichnet hat. Insofern finden wir in den Geschichten auch so gut wie nichts, was uns unmittelbar auf die „politischen Wirren des frühen 20. Jahrhunderts“ verweisen würde. Das heißt aber nicht, dass seine Prosa sich einem Eskapismus verschrieben hätte. Der polnische Priester, Philosoph und Literaturwissenschaftler Alfred Marek Wierzbicki spricht vom „antitotalitären“ Charakter dieses Werks. Diese Prosa hat kein Zentrum, keine Hierarchie – jeder Versuch, sie ideologisch in Dienst zu nehmen, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Schulz führt uns auf jeder Seite vor, dass das Rätsel der Existenz mit Herrschaftsansprüchen nicht zu lösen ist.

Ein Wort noch zu den Übersetzungen: Als die Neuübersetzung von Doreen Daume erschien, hieß es in den Rezensionen mehrfach, nun hätten wir – endlich – den „definitiven“ Schulz. Ich würde gerne an dieser Stelle eine Lanze brechen für die erste Übersetzung von Joseph Hahn. Sie bot immerhin für über vierzig Jahre den einzigen deutschsprachigen Zugang zu Schulz. Beide Übersetzungen haben ihre Berechtigung, ihre Stärken und Schwächen, ich glaube nicht, dass es ergiebig ist, die eine gegen die andere auszuspielen.

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SYN_ENERGY Berlin_Athens in Bildern

Das war SYN_ENERGY Berlin_Athens: fünf Tage Lesungen, Diskussionen, Performance, Vernetzung. Nelly Tragousti hat das Symposium mit ihrer Kamera begleitet. Hier sind ihre Eindrücke von der Langen Lesenacht und den Diskussionspanels in der Lettrétage.

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei den teilnehmenden Autor*innen, Übersetzer*innen, Moderator*innen, allen Unterstützer*innen, dem großartigen Projektteam und unseren großzügigen Förderern: der Stavros Niarchos Foundation, dem Hauptstadtkulturfonds und der Griechischen Botschaft.

Alle Fotos (c) Nelly Tragousti

Anja Golob: Meergedicht

Am 10. Oktober liest Anja Golob in der Lettrétage aus ihrem neuen Gedichtband. Hier ist bereits ein Auszug aus „Anleitungen zum Atmen“, das bei der Edition Korrespondenzen erscheinen wird.

MEERGEDICHT

na tvoje usne boje mesa
spustiću kap svoje vode
EKV: Oči boje meda

Wir stehen auf ohne Uhren. Ohne Kleider. Ohne Plan.

  • Gekämmte Jungfischschwärme teilen sich, fast freundlich, unmerklich,/und tauchen ab unter meinem nackten Körper, der kaum Sonne kennt, kaum Salz./Die Fische stört es nicht, sie sind schmiegsam, schwimmen gelenkig, atmen sanft.

Der gleiche Frosch platscht abends geschäftig zum Mauervorsprung, fällt um.

  • Ein einsamer Wasserläufer durchfurcht die stille Oberfläche. Nach ihm bleibt/ Geruch von Erdöl, ein Surren wie Zahnbohrer, kaum ein/ Grübchen im Meer./ Flach fegt er ins Wasser, hinter ihm zieht der Abend die Gardinen des Tages zu.

Ich finde einen schläfrigen Skorpion im Buch, perplex geplättet.

  • Leise zischt nachts das Meer, gewohnt geschmiegt in die Gruben des Ufers./ Unaufdringlich, so wie Ebbe Flut gebiert, ersteigt der Mond die Lüfte./ Langsam sprießt in den Zitronenbäumen der Wind, versilbert den Spiegel.

Es ist Sommer. Wir haben keine andere Arbeit außer zu sein. Das genügt.

Aus dem Slowenischen von Urška P. Černe & Uljana Wolf.