Zitat der Woche

„Wovon ich rede? Vom Hof des Großvaters natürlich,

den hat der Löwenzahn komplett erobert.

Niemand war hier von euch das ganze Jahr,

und man kommt nirgendwo mehr durch,

selbst die Treppe ist schon überwuchert“,

so die Klage meiner Mutter,

„Euer Vater war ja auch noch nie ein großer Landmann,

viel lieber zog er in der Welt herum,

nicht einmal um den Gemüsegarten kümmerte er sich.“

Ich hör ihr zu und färbe meine Haare, übrigens in Karamell,

so steht’s zumindest auf der Packung.

Trotzdem weiß ich nicht,

ob das mit meinen schwarzen Haaren geht,

sind sie doch schon zur Hälfte grau,

grau wie diese Pusteblumen,

die dank der Stimme meiner Mutter jetzt durch dieses Zimmer fliegen,

dank der Datenübertragung aus dem Land der Kindheit wehen

und sie wehen meine Augen zu,

ich kann ihr trauriges Gesicht schon nicht mehr sehen,

meine Mutter, die nicht weiß,

wie sie den ganzen Löwenzahn aus dem Hof verbannen kann,

sie schafft es mit der Hand nicht mehr

und die Kraft hat sie verlassen.

Und der Vater hat sich niemals Zeit genommen,

Haus und Hof ließ er verkommen

und seine Kinder sind so ungeschickt wie er.

Meine Mutter sucht die rechten Worte,

dank der Datenübertragung landen sie genau bei mir,

hier vor meinem Spiegel, doch was sag ich ihr,

deren Stimme immer mehr zerstückelt klingt,

was ich für den Hof tun kann, das weiß ich nicht so schnell,

auch wenn ich selbst zur Pusteblume werde,

so hoffe ich doch nur auf Karamell.

Bela Chekurishvili: PUSTEBLUMEN, Nachdichtung: Norbert Hummelt, Verlag das Wunderhorn, 2021

Am 12. Oktober stellt Bela Chekurishvili ihren Gedichtband DAS KETTENKARUSSELL vor, in dem es um Kindheit und Heimat, aber auch Verlust geht.