Zitat der Woche

Bald darauf entstand die Bevölkerung der Schweiz. Immer, wenn eine stolz geschmückte Urkuh über den käsehaltigen Boden wackelte und ihre kostbare Milch beifügte, entwuchs dem Boden die erste Generation der Schweizer Bevölkerung. Die ersten Menschen waren aus Käse.

Noch heute hat jede Region anderen Käse. Es ist die Kombination aus der Zusammensetzung des dortigen Bodens und dem momentanen emotionalen Zustand der jeweiligen Urkuh, während sie den Urkäsemenschen schuf. Die Urkäsemenschen und die Urkühe führten von da an ein wunderbares Leben zusammen. Die Urkühe zeigten den Menschen die Berge und zogen mit ihnen auf das Maiensäss und die Alp. Die Urkäsemenschen himmelten die Urkühe an, weil sie so schön geschmückt waren und den totalen Durchblick hatten. Und wenn die Urkäsemenschen hungrig wurden, frassen sie einfach einander auf. Es waren glückliche Zeiten, bis Friedrich Schiller erschien. In einer Kutsche, einem Vierspänner, der von kräftigen Rottweilern gezogen wurde, erreichte er die Schweiz über die Deutsche Grenze. Leider verbreiteten sich die Rottweiler hier sofort und töteten die Urkühe, bis diese fast ausgestorben waren. Die Urkäsemenschen bauten daraufhin Burgen, in denen sie die letzten Urkühe zu deren Schutz gefangen hielten. Bald hatten die Urkäsemenschen eine gute Idee und sie begannen, die Urkühe systematisch auszunutzen. Das war der Beginn der modernen Käseindustrie.

Der Schweizer erkennt sich selbst in seinem Käse. In der Schweiz haben alle Vorfahren, die noch selber gekäst haben. Früher käste man auf der Alp, man käste auf dem Maiensäss und im Mittelland und im Unterland käste man auch und mancherorts machte man daneben noch schnell ein paar Uhren. Wenn der Schweizer älter wird, wird die Rinde härter, aber in seinem Herzen brodelt der Käse noch immer heiss und flüssig.


Anaïs Meier: Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken, mikrotext, 2020.


Am 21. April ist Anaïs Meier bei Die einmalige Anaïs-Meier-Show bei uns zu Gast.