Zitat der Woche

„…Der Direktor schmunzelt: „So wie eine zukünftige Bundeskanzlerin sieht sie aber nicht aus…“, höre ich ihn noch sagen – da stockt mir der Atem.

Ich sehe in der letzten Reihe sitzen: meine Tochter Marie. Sie hat ihr Dirndl an und ihre beiden Zöpfe stehen rechts und links ab – ihre Lieblingsfrisur.
„Warum ist sie hier? – Was ist mit ihr? Was hat sie gemacht?“ Ich habe den Direktor bereits am Kragen gepackt, ich sehe Angst in seinen grauen Augen.
„Warum sperrt ihr sie hier im Keller ein, mit all diesen anderen Kindern…?“
Der Direktor schluckt, murmelt etwas von Mischling, wildem Blut, und da wäre dieser Zwischenfall im Kunstunterricht gewesen…
„Marie, komm zu mir,“ schreie ich. Sie ist in meinem Arm. Mit dem freien Arm schlage ich mit einem Lineal auf den Direktor ein. Ich brülle mit jedem Schlag:
„DAS HEISST NICHT HAUTFARBEN! – SAGEN SIE ROSA! – SAGEN SIE BEIGE! – JEDER HAT SEINE EIGENE FARBE! – RASSIST! – NAZI!…“ und an dieser
Stelle wache ich regelmäßig auf.“

Maddeläne trinkt einen Schluck aus ihrer Tasse.

„Heute Nacht wieder! Ich erzählte diesen Traum Monsieur Ndongo, der ebenfalls wach geworden war. Er schaute mich lange an…“

Madeleine Bantleon: Maddeläne. Eine schwarz-weiße Liebe in Deutschland 2020, Rhein-Mosel-Verlag, 2020.

Am 27. März liest Madeleine Bantleon bei uns aus ihrem Roman „Maddeläne. Eine schwarz-weiße Liebe in Deutschland 2020“.