Alexander Graeff: eine lange Nacht der poetischen Prosa

SB: Lieber Herr Graeff, am 28. Oktober veranstalten Sie eine „Lange Nacht der poetischen Prosa“. Besucht habe ich bisher die Lange Nacht der Musik in Kaiserslautern sowie die Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin. „So geht Prosa!“ wird ebenfalls in Berlin stattfinden. Wie kann man sich das Programm einer solchen Nacht ungefähr vorstellen? Sind verschiedene Standorte für Lesungen vorgesehen?

AG: Es ist eine Lange Nacht der poetischen Prosa. Wir hatten in der Brotfabrik auch schon andere Lange Nächte, z. B. der Lyrik. Die Veranstaltung am 28.10. heißt „So geht Prosa! Alternativen zum Romanstandard“, und ich denke, dieser Titel bringt es gut auf den Punkt, worum es geht: Einmal die unkonventionelle Seite der Prosa zu zeigen, die mit den kurzen, experimentellen, poetischen Formen. Gelesen wird ausschließlich auf der BrotfabrikBühne bis Mitternacht und darüber hinaus, daher die Bezeichnung des Formats als Lange Nacht.

SB: Das klingt nach einer hervorragenden Idee, die unkonventionellen Seiten der Prosa darzustellen. Ich habe noch eine Frage zur Titelgebung der Veranstaltung, geht es bei dem ersten Ausruf um die Benennung von Alternativen? Soll heißen, so kann Prosa auch gehen?

AG: Genau, darum geht es. Es herrscht oft ein sehr eindimensionales Bild von belletristischer Prosa in der Öffentlichkeit vor, das eben vielen Autor*innen und ihrem Schaffen nicht entspricht. Deren Texte würden das Marketingetikett »Roman« vieler großer Verlage nicht bekommen, weil ihre Arbeiten eben nicht marktkonform sind. Sie haben andere Formen oder Themen. Es geht darum, diesen Teil der Prosa sichtbarer zu machen.

SB: Vielleicht verraten Sie mir ja bereits, welche anderen Themen das sind. Welche Themen haben derzeit einen innovativen Charakter?

AG: Mutige Themen. Themen, die wehtun, nicht nur dem Status Quo, sondern auch ganz konkret Leser*innen, weil sie Muster und Strukturen des Denkens sichtbar machen, spiegeln, kritisieren – ohne dabei nur zu kritisieren, sondern auch Gegenentwürfe aufzuzeigen, Neben-Realitäten zu konstruieren usw. Konkret wären das z. B. Geschlechterverhältnisse und -zustände, Mentalitätskonstruktionen, Sozialisation, religiöse Themen oder auch mal Texte, die jenseits von bildungsbürgerlichen Selbstfindungsprozessen in urbanen Räumen handeln. Darüber wird ja geschrieben, ist aber zu oft dem „großen Publikum“ unsichtbar.

SB: Es soll sich dabei ja auch um eine Benefizlesung handeln, eine Lesung deren Einnahmen Geflüchteten zugutekommen. Wissen Sie bereits, in welchen Sprachen die Lesung stattfinden wird?

AG: Das Projekt präsentiert deutschsprachige Prosa. Der Benefizcharakter der Veranstaltung hat damit aber nur indirekt etwas zu tun. Die Kasseneinnahmen werden zur Einrichtung einer Bibliothek in der Gemeinschaftsunterkunft Treskowstraße in Heinersdorf verwendet. Natürlich werden dann aber vorrangig Bücher in den Sprachen der Geflüchteten angeschafft. Ich habe versucht, auch Schriftsteller*innen unter den Geflüchteten zu finden, die zum Konzept passen. Leider bisher ohne Erfolg.

SB: Hat es einen Grund, weshalb genau diese Unterkunft ausgewählt wurde? Haben Sie über die Suche nach geflüchteten Autor*innen einen Diskurs entfachen können über Literatur? Welche Autor*innen sind für Geflüchtete interessant?

AG: Die Heinersdorfer Gemeinschaftsunterkunft befindet sich in direkter Nachbarschaft zur Brotfabrik, zu Fuß sind das gerade mal 10 Minuten. Außerdem treffen sich die Akteur*innen des Unterstützungskreises regelmäßig in der Kneipe der Brotfabrik, da lag es fast auf der Hand, dass wir kooperieren. Ich habe den Eindruck, dass sich geflüchtete Autor*innen eher am Mainstream orientieren, also Genre-Literatur wie Fantasy etc. pp. produzieren. Das trifft ganz sicher nicht auf alle zu, es gab aber in der Vorbereitungszeit ein paar Kontakte aufgrund von Empfehlungen etwa, die das bestätigen. Ist aber, wie gesagt, nur ein sehr subjektiver Eindruck. Meistens kam die Absage dann vonseiten der angefragten Autor*innen selbst.

SB: Kommen wir nun zu meiner letzten Frage. Ich möchte abschließend von Ihnen wissen, ob eine „Lange Nacht der poetischen Prosa“ eine Art Pilot-Projekt ist? Dürfen wir uns auf eine Veranstaltungsreihe freuen, die sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird?

AG: Naja, wir hatten ja schon öfters mal eine Lange Nacht in der Sparte „Literatur“ in der Brotfabrik, als Reihe ist „So geht Prosa!“ aber nicht konzipiert. Evtl. ergeben sich noch weitere Kooperationen mit der Gemeinschaftsunterkunft in Heinersdorf, aber auch das ist nicht geplant bisher.

SB: Lieber Herr Graeff, ich bedanke mich sehr herzlich für das Gespräch.

AG: Ich danke Ihnen.

 

 

Die Interviewfragen stellte S.Barnieck

Juliana Kálnay über Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens

Kulturjournalist Michael Lösch im Gespräch mit der Autorin Juliana Kalnáy über ihren Debütroman.

Was war die treibende Kraft, die Motivation, diesen Roman zu schreiben?

Anfangs: Den Motiv- und Figurenideen zu folgen, um zu sehen, wohin mich diese schreibend hinführen. Später: Die Lust daran, das Haus zu bevölkern, Erzählfäden weiterzuspinnen und zu verknüpfen, aber auch „falsche Fährten“ zu legen. Und: Ein motivisch dichtes „Erzählgebäude“ zu konstruieren.

Verwandlung und Verschwinden scheinen die zentralen Leitthemen zu sein. Ist dem so und wenn ja, warum?

Tatsächlich sind beides zentrale Motive im Roman, die in unterschiedlichen Formen und Variationen immer wieder auftauchen. Warum ist eine gute Frage. Es war ja nicht so, dass ich eines Tages beschlossen habe, einen Episodenroman um das Verschwinden zu schreiben. „Juliana Kálnay über Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens“ weiterlesen

FEDERLESEN

Wie sieht so eine Betreuung im Rahmen des Seminars  im „Herrenhaus Edenkoben“ aus? Was geschieht da so mit dem Text und dem Autor? Geht das so in Richtung Lektorat?

Die Schreibwerkstatt besteht aus zwei langen Wochenenden. Eines im Januar, eines im Juli. Die Leute bei der Lesung sind die des 2016er-Jahrgangs. Die diesjährige Werkstatt läuft schon bald wieder an.
An beiden Wochenenden werden die Texte aller Teilnehmer*innen besprochen – angeleitet von zwei Dozentinnen, einer Schriftstellerin und einem Lektor. Was passiert hängt sehr vom Stand und Art der Texte ab. Im Grunde bekommen die Autor*innen einfach Feedback von ihren jungen Kolleg*innen und eben von den beiden ‚Profis‘. Es hat natürlich Ähnlichkeiten zu einem Lektorat, allerdings zu einem sehr rohen Lektorat, da es ja nicht um grammatikalische Korrekturen o.ä. geht, sondern um das generelle Funktionieren der Texte, die ja in aller Regel eher frühe Fassungen sind. Also Struktur, Figurenkonstellation/psychologie, Metaphern, Thema, Konflikte … „FEDERLESEN“ weiterlesen

Fotos vom ersten Branchentreff Literatur Berlin

© gezett.de

Im Rahmen des Projekts „WiSU – Wirtschaftliche Stärkung der UrheberInnen in der freien Literaturszene Berlin“. Das Projekt ist eine Relaisstation, über die Autorinnen, Lektoren, Literaturveranstalterinnen, Literaturübersetzer und Kleinverlegerinnen miteinander in Kontakt treten, Informationen austauschen, kooperieren, einander unterstützen und GEMEINSAM neue Ideen entwickeln.

Ein Projekt des Literaturhauses Lettrétage.

gefördert von

   

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Denis Abrahams liest…

… aus dem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, Bd. 1 „Auf dem Weg zu Swann“ von Marcel Proust, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Bernd-Jürgen Fischer, erschienen im Reclam Verlag.