#lettretalks: TraLaLit – Magazin für übersetzte Literatur

»Übersetzerinnen und Übersetzer sind die Hidden Champions der Literaturwelt«, heißt es im Mission Statement des Magazins für übersetzte Literatur und Übersetzungskritik TraLaLit.➚ Durch Übersetzungen werden für uns alle Literaturen, Kulturen und Zeiten zugänglich – sie erschließen uns die Welt. TraLaLit veröffentlicht wöchentlich neue Beiträge und bietet Übersetzer*innen eine Bühne. Das Magazin dient auch als Experimentierplattform für ein Übersetzungsfeuilleton. Die Texte sind dabei so vielfältig wie die Literatur selbst: mal humorvoll, mal polemisch, mal akribisch, mal meinungsstark, mal ausgewogen.

Am Dienstag, den 16. Juli, um 19.30 Uhr,➚ veranstaltet das TraLaLit-Magazin in der Lettrétage eine öffentliche Leserunde mit der Übersetzerin Stefanie Ochel➚ zu dem von ihr übersetzten Roman »An Rändern« von Angelo Tijssens (Rohwolt, 2024)➚. Alle sind eingeladen, das Buch zu lesen und an dem Abend in die Lettrétage zu kommen, um gemeinsam mit Stefanie Ochel über Leseeindrücke und Lektüreerfahrungen zu diskutieren! Moderiert wird der Abend von Theresa Rüger, der Eintritt ist frei.

Zur Einstimmung auf den Abend haben wir vorab mit Theresa Rüger aus dem TraLaLit-Team über die Herausforderungen und Bedeutungen der Übersetzungsrezension, die Liebe zur Sprache und die Entstehungsgeschichte von TraLaLit gesprochen.

1. Was ist das Besondere daran, Übersetzungen zu rezensieren, von denen keine*r aus dem Redaktionsteam die Originalsprache versteht?

Wir sind da zum Glück nicht auf uns gestellt. Wir haben einen großen Pool an Gastautor*innen, die uns mit ihren vielseitigen Sprachkenntnissen bereichern. 74 Sprachen finden sich mittlerweile in unserem Register. Vergleichende Rezensionen unter Einbeziehung des Originaltextes sind dabei immer unser Ideal. Wann immer möglich, greifen wir also auf die Vorlage zurück und machen sie zum Maßstab unserer Auseinandersetzung mit dem deutschen Text. Nur wenn niemand mit den entsprechenden Sprachkenntnissen erreichbar oder der Originaltext unzugänglich ist, veröffentlichen wir Rezensionen ohne Originalkenntnis.➚ Oder wenn es sehr schnell gehen muss.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Schöne dabei dann vor allem ist, dass ich mich richtig in den Text (die Übersetzung) fallen lassen kann, weil ich nicht wie bei der Lektüre etwa eines Romans aus dem Englischen oder Portugiesischen den (imaginierten) Satzrhythmus des Originals im Ohr hab. Es ist leichter, das Gesamtbild im Blick zu halten und sich nicht zu sehr an Kleinigkeiten aufzuhängen.

2. Gibt es etwas Verbindendes, das alle Redaktionsmitglieder in ihrer Liebe für Übersetzungen eint?

Neugierde, würde ich sagen. Übersetzen ist mit das genaueste Lesen, das es gibt, und Übersetzungskritik damit auch eine ganz besondere Form der Literaturkritik. Stefan Moster, der vergangene Woche für seine Übertragung von Pajtim Statovcis »Meine Katze Jugoslawien« aus dem Finnischen mit dem Internationalen Literaturpreis des HKW ausgezeichnet wurde, sagte einmal sinngemäß: »Übersetzen ist Arbeit am Verstehen. Übersetzen ist angewandte Empathie.« Da können wir mitgehen.

3. Wie wichtig ist es, so nah wie möglich am Originaltext zu bleiben, vs. eine eigene künstlerische Interpretation zu erschaffen?

Die Auffassung davon, was »Originaltreue« eigentlich bedeuten soll, hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt, und einen richtigen Konsens gibt es weiterhin nicht. Sehr bewusst ist uns wohl gegenwärtig, dass wir mit Sprache auch Kultur übersetzen, und dass dieses Unterfangen in Machtstrukturen eingebunden ist. Wenn Übersetzungen übermäßig domestizieren, also das Original zugunsten der Lesefreundlichkeit überdecken, birgt das die Gefahr der Aneignung. Mitunter kann es aber auch eine Frage des Genres sein, wie sehr die Leser*innenschaft an die Hand genommen wird.

4. Aus welchen Gedanken entstand die Idee zur TraLaLit-Gründung?

Da ich selbst 2018 noch (lange) nicht dabei war, zitiere ich jetzt einfach mal aus einem Artikel von 2018, den die TraLaLit-Gründungsmitglieder Felix Pütter und Freyja Melsted zur Übersetzungskritik in deutschsprachigen Medien➚ geschrieben haben:

»Wertschätzung für die eigene Arbeit zu erfahren, also eigene Leistungen namentlich zugerechnet zu bekommen, ist in den meisten Berufen selbstverständlich. (…) Für Literaturübersetzerinnen und Literaturübersetzer ist diese Selbstverständlichkeit allerdings eine hart erkämpfte Errungenschaft. Lange Zeit wurden noch nicht einmal im Buch selbst die Namen derer genannt, denen das Publikum es verdankte. Und auch wenn diese Zeiten glücklicherweise vorbei sind, ist die Klage über das Schattendasein, das Übersetzerinnen und Übersetzer insbesondere im Rezensionsfeuilleton fristen, lange nicht verstummt.«

In a nutshell: TraLaLit rückt Übersetzungskritik in den Mittelpunkt und macht die Arbeit von Übersetzenden sichtbar.