Im Rahmen der Veranstaltung „Natur schreiben – zwischen Kunst und Engagement in Zeiten ökologischer Krisen“ , die am 24. November stattfindet, erkunden die Autorinnen Nora Deetje Leggemann, Ursula Seeger und Johann Reißer mögliche Verbindungen zwischen Umweltaktivismus und literarischem Schreiben und stellen ihr Projekt „Natur: Stadt: Kultur„ vor. Dabei lesen Ursula Seeger und Johann Reißer aus ihrem gemeinsamen Gedichtband „GEHÄUSE – Zwölf Schleifen zwischen Zellen und Clouds„, der sich der Wechselwirkung des Berliner Stadtraums mit den Landschaften des Berliner Umlands widmet. In Form von Gedichten, Fotos und Grafiken beschäftigt das Buch sich mit menschlichen und nichtmenschlichen Architekturen und deren Verflechtungen. Nora Deetje Leggemann beschreibt in ihrem Text „Land unner/Ruuche Frauen“ das Leben auf einer Nordseeinsel und entwirft aus der Perspektive mehrerer Frauengenerationen das ebenso raue wie zärtliche Portrait einer Naturlandschaft und ihrer Bewohnerinnen im Wandel der (Ge)Zeiten.
Wir haben mit den Autor*innen über ihr Projekt „Natur: Stadt: Kultur“ und die Möglichkeiten des Schreibens über ökologische Zusammenhänge gesprochen.
1. Ihr seid alle Teil des Projektes „Natur : Stadt : Kultur“. Was hat
es mit diesem Projekt auf sich und wie kam es zu seiner Gründung?
„Natur : Stadt : Kultur“ haben wir als Projekt, getragen über den Verein „Die Lernwerkstatt – lernen und lernen lassen e.V.“, seit Anfang 2024 entwickelt. Im Laufe des Jahres haben wir für diverse Orte und Zielgruppen Workshops, Lesungen und Vortragsformate konzipiert, in denen sich unterschiedliche Kunstformen, Umweltbildung und urbane Praxis verbinden. Unser Anliegen war es, mehr Bewusstsein zu schaffen für unsere Mitlebewesen sowie für die Bedrohtheit ihrer Lebensräume, und ein gutes Zusammenleben von Menschen und mehr-als-menschlicher Natur zu fördern.
2. Welche Herausforderungen, welche Möglichkeiten bietet für euch das
literarische Schreiben über ökologische Themen?
Literatur bietet andere Möglichkeiten, sich der nichtmenschlichen Natur anzunähern als etwa die Wissenschaft. In ihr geht es nicht um das Vermessen und sachliche Erklären, sondern darum, sich auf sinnlich-emotionale Weise anzunähern – etwas, das Viele in unserer Gesellschaft ein Stück weit verloren haben und das uns durch unsere technisch-mediale Lebenswirklichkeit zunehmend abtrainiert wird.
Wenn wir nicht einfach auf den Kameraauslöser drücken, um uns ein Bild von nichtmenschlichen Mitlebewesen zu machen, sondern uns die Mühe machen, über sie zu schreiben, bemerken wir schnell, dass vieles nicht so einfach ist. Da stellen sich Fragen, mit denen wir nicht gerechnet haben und die unsere Position ein Stück weit in Frage stellen: Wer ist das eigentlich, den ich vor mir sehe? Wie kann ich dieses Tier, diese Pflanze beschreiben? Werde ich ihnen dabei gerecht? Wie weit reicht meine Sprache? Ist sie nicht vor allem für die menschliche Welt gemacht? Bräuchte es eine andere Sprache, um nichtmenschlichen Wesen zu beschreiben? Wie kann ich mich einer nichtmenschlichen Perspektive annähern?
So kann das Schreiben dazu dienen, eine komplexere Sicht zu entwickeln. Die nichtmenschliche Natur fordert uns auf, über die Einschränkungen unserer konventionellen Wirklichkeitswahrnehmung und unserer gebräuchlichen Sprache hinauszutreten.
3. Habt ihr Empfehlungen für weitere literarische Texte, die
umweltpolitische Themen behandeln, oder Autor*innen, die dies zum
Gegenstand ihres Schreibens machen?
Spannende literarische Zugänge zum Mensch-Natur-Verhältnis finden sich etwa in den Werken von Marcel Beyer, Marion Poschmann, Olga Tokarczuk, Thomas Kling oder Inger Christensen. Wir würden aber auch sehr empfehlen, Texte von Anthropolog*innen wie Philippe Descola, Nastassja Martin und Eduardo Kohn, Biolog*innen wie Robin Wall Kimmerer, Joseph Reichholf oder Stefano Mancuso, Philosoph*innen wie Donna Haraway und Hans Jonas oder Umwelthistoriker wie William Cronon zu lesen. Um die Komplexität der heutigen Naturverhältnisse gut einzufangen, ist es sinnvoll, klassische Disziplin- und Genregrenzen zu überschreiten.
4. An wen richtet sich eure Veranstaltung? Was erhofft ihr euch von dem
Abend?
Wir möchten all jene ansprechen, die sich die Frage stellen, wie wir uns heutzutage zur Natur ins Verhältnis setzen sollen und welche künstlerischen Ansätze hierbei hilfreich sein können. Dem nachzugehen und unsere oft verqueren Umgangsweisen mit Natur zu reflektieren, scheint uns in Anbetracht der drängenden ökologischen Krisen sehr wichtig. Wir möchten zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Themenfeld einladen und zu einem aufmerksamen Umgang mit unseren Mitlebewesen anregen.
Wir hoffen, dass sich ein reger Austausch mit dem Publikum ergibt, bei dem neue Möglichkeitsräume ausgelotet werden. Gemeinsames Nachdenken über Natur ist wichtig, um zu neuen Handlungsansätzen und Formen des Zusammenlebens zu kommen.