#lettretalks: Michaela Maria Müller über Fußball, Fanliebe und Briefromane

Fanliebe, Fußballzitate und dei Schriftstellerin Aphra Behn
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Klinsi war ihre erste Liebe, 1987 auf dem Dorf. Rick Astley und Bono brauchten gar nicht erst auszupacken. An Klinsi mochte sie alles: den schüchternen Blick, die bäckerblonden Haare, das Golf-Cabriolet, in dem sie gern mitgenommen worden wäre, seine Bescheidenheit, die sie in seinem Lächeln vermutete und natürlich sein Stürmertum auf dem Platz. Dabei war sie Fan des FC Bayern und er Spieler beim VfB Stuttgart.

Als Mädchen Fußballfan zu sein, führte in die Vereinzelung. Es war der Sport der Jungs, andere Mädchen interessierten sich nicht dafür. Sie begann, Klinsi Briefe zu schreiben. Ihr hörte ja sonst niemand zu. Ihr Leben begann sich zu ordnen. Inspiriert von diesen Briefen ihrer Jugend hat Michaela Maria Müller nun mit „Klinsmann. Ein Briefroman“ eine Liebeserklärung an das Außenseitertum geschrieben. Bevor wir am 16. Juni die Premiere des Buches in der Lettrétage feiern, haben wir Michaela Maria Müller ein paar Fragen zur Rolle des Fußballs in ihrem Leben, zum Briefschreiben und zu ihrem literarischen Schreibprozess gestellt.

Nicht zuletzt dank des Sommermärchens 2006 dürfte Jürgen Klinsmann vielen ein Begriff sein. Wie kam es dazu, dass Du ihm in der Buchreihe „Ikonen“ des Voland & Quist Verlags einen ganzen Roman widmest?

    Michaela Maria Müller: Er war, wenn man so will, meine erste Fanliebe. Fußball war mir als Jugendliche aus familiären Gründen näher als Popmusik. Da wurde Klinsi mein Idol. Und von Idolen wünscht man sich ein bisschen, dass sie einem den Weg zeigen, den man selber noch nicht kennt. Die Ikonen-Reihe finde ich außerdem toll. Dass es die Möglichkeit gibt, die eigene Fußballgeschichte kunst- und liebevoll zu teilen. Für mich ist dieser Mini-Roman auch ein Kommunikationsangebot geworden. Das habe ich am Ende auch ins Buch eingearbeitet, als letzte Idee: Schreibt mir einen Brief, ich schreibe zurück.

    Was für einen Bezug hast Du zum Fußball? Hat sich dieser seit deiner Kindheit verändert?

      Michaela: Fußball ist etwas, was mal mehr oder weniger im Vordergrund ist. Als Zwölfjährige war ich Hardcore-Fan. Zwischen 20 und 30 spielte Fußball kaum eine Rolle in meinem Leben. Fußball ist für mich vielleicht sowas wie eine Oberfläche: sozialer Anlass, freundlicher Raum, sich zu necken oder aufzuziehen und Zeit zusammen zu verbringen. Derzeit schaue ich ganz gern EM oder WM, gehe manchmal auch zu Berliner Clubs im Frauen- und Männerbereich, aber abseits der beiden Bundesligen.

      Abseits des Stadiongangs oder dem Verfolgen von Spielen im Radio und Fernsehen: Mit welchen Aspekten des Lebens hängt für dich der Fußball zusammen?

        Michaela: Ich glaube, mir fallen öfter Fußballzitate als Sprichwörter ein. Obwohl Fußballzitate ganz anders funktionieren. Ein Beispiel: „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien“ von Andreas Möller. Es fängt mit einer feinen Alliteration an und endet in einem Irrtum, einer Fehlleistung, einem Versprecher. Man weiß es nicht. Und beim Fußball ist es ja oft genauso: Ein Pass kann grandios kommen und genauso verspielt werden. Und so geht es mir beim Schreiben auch oft. Und eins meiner Lieblingszitate bleibt wohl „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ von Sepp Herberger – immer Weitermachen, Dranbleiben.

        Der Briefroman ist als literarisches Genre heutzutage nicht mehr allzu verbreitet. Wie kamst du dazu, ausgerechnet einen solchen zu schreiben?

          Michaela: Ich wollte die Tatsache, dass ich Klinsi eine Weile jeden Tag einen Brief geschrieben habe, als Anlass nehmen. Da hat mich dann mehr und mehr das Genre des Briefromans interessiert und ich bin bei der Recherche auf die Autorin Aphra Behn gestoßen. Sie wurde 1640 geboren und gilt als Erfinderin des Briefromans. Sie war Feministin, Revolutionärin, Spionin und erste Berufsschriftstellerin überhaupt. „Ich lehne es ab, meine Zunge im Zaum zu halten“, so hat ihr Übersetzer Tobias Schwartz diesen Satz übertragen. Bei mir war es so ähnlich. Ich habe als Jugendliche alle genervt mit meinem Fußballfantum, konnte aber auch nicht aufhören damit. Ohne Behn würde es vermutlich den Text so nicht geben.

          Die Frage danach, wie der Schreibprozess aussah, stellt sich damit doppelt: Einerseits ganz Allgemein und andererseits im Besonderen mit Blick auf die Briefe. Sind das gar echte Briefe oder hast du sie vor, während oder nach dem Verfassen des restlichen Textes geschrieben?

            Michaela: Nach dem Ende jedes Kapitels. Ich weiß nicht mehr genau, was ich Klinsi damals geschrieben habe. Weil ich sie aber mit der Hand geschrieben habe, dachte ich, ich kann ihnen am besten nachspüren, wenn ich sie wieder mit der Hand schreibe. Allgemein würde ich sagen, dass jedes Buch bei mir einen anderen Schreibprozess hat, den ich erst finden muss.

            Nun sind nicht alle Menschen Fußballfans. Könnte „Klinsmann. Ein Briefroman“ auch für Leute interessant sein, die sonst nicht allzu viel mit Fußball zu tun haben?

              Michaela: Ich hoffe es. Birgit Fuß, die am Premierenabend auch auf der Bühne sein wird, sagte: „Ich kann nur allen, die jemals von irgendwas Fan waren, raten, es zu kaufen! Muss gar nicht Fußball sein.“ Übrigens freue ich mich sehr, dass dieser Briefroman in der Lettrétage Premiere hat. Nomen est Omen!