das ad hoc ist ein Berliner Lyrikkollektiv, das sich 2019 aus Teilnehmer*innen der Lyrikwerkstatt open poems gründete. Es besteht aus 11 Personen, verbunden durch ihre Begeisterung für Lyrik und dem Wunsch, der Wettbewerbsökonomie im Literaturbetrieb einen alternativen Raum entgegenzusetzen. Die Mitglieder des Kollektivs unterstützen sich gegenseitig, tauschen sich über ihre Schreibprozesse aus, teilen ihre Erfahrungen im Literaturbetrieb miteinander und realisieren kollektive Poesie-Projekte.
In der Lesereihe „textOUR Kollektivität & Care“ trifft das ad hoc mit anderen Berliner Kollektiven und Netzwerken zusammen und sucht nach Poetiken des Verknüpft-Seins, der Zu-Wendung, des Sich-Beziehens. An neun Leseabenden spinnt sich Poesie unterschiedlicher Stile, Szenen und Sprachen fort.
Am Dienstag, den 24. September, um 20:00 Uhr, trifft das ad hoc in ihrer zweiten Veranstaltung der Reihe „textOUR Kollektiuvität & Care“ auf das Künstler*innenkollektiv parallelgesellschaft. Zur Einstimmung auf den Abend haben wir vorab mit Julia Dorsch und Sara Hauser über die Förderung der Reihe, das entstehende Gedichtgewebe und die Zusammenarbeit intern und mit anderen Kollektiven gesprochen.
1. Die Lesereihe textOUR. Kollektivität & Care wird von der Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert. Ist das Eure erste geförderte Reihe? Welche Erfahrungen habt Ihr im Prozeß sammeln können, was würdet Ihr anderen raten diesbezüglich?
Ja, es ist unsere erste geförderte Reihe, bisher hatten wir nur einzelne Abende in Kooperation mit verschiedenen Partner*innen realisiert – und wir freuen uns sehr, jetzt in einem größeren und langfristigen Rahmen arbeiten zu können! Wir haben die Ideenfindung im Kollektiv begonnen und uns dann in einer kleineren Arbeitsgruppe viel Zeit für die Ausarbeitung des Konzepts zur Antragsstellung genommen, was sich auch jetzt in der Umsetzung auszahlt. Ab Frühjahr dieses Jahres (‘24) haben wir die Projektstrukturen aufgebaut und die Website zusammen mit dem Grafikstudio erstellt und dabei gelernt, dass für diese Prozesse auf jeden Fall viel Zeit eingeplant werden sollte. Wir sind außerdem unfassbar dankbar, mit Lena Scheitz eine erfahrene Projektmanagerin im Boot zu haben, die uns mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung vieles erleichtert hat.
Was sich für uns als Projektleitung im Prozess als wichtig erwies, war klar zu artikulieren, wenn eigene Grenzen erreicht sind oder Support aus dem Kollektiv benötigt wird. Das war wichtig, um das anfängliche Arbeitspensum zu bewältigen und uns hier gegenseitig zu entlasten und zu unterstützen, damit eine Lesereihe über Kollektivität und Care nicht zu Selbstausbeutung führt und wir strukturelle Probleme der Kulturbranche möglichst wenig reproduzieren. Erfahren haben wir dennoch, dass das nicht immer möglich ist. Mit der Reihe haben wir an Kernideen angeknüpft, die wir bei einem gemeinsamen Schreibwochenende entwickelt haben und diese fortgesetzt – das Rad nicht neu erfinden zu müssen war hilfreich. Auch Zutrauen zu unseren Ideen zu haben und diese dann gemeinsam auszudifferenzieren. Es war außerdem gut, schon früh konkrete Kooperationspartner*innen ins Boot zu holen.
2. Wie beeinflusst die Förderung die Lesereihe, im Vergleich zu vorherigen Projekten und Lesungen? Was sind aus Eurer Sicht Vor- und Nachteile?
Die Förderung erlaubt uns, langfristig viele Ressourcen in die Kollektivarbeit zu geben und überhaupt ein so großes Projekt zu realisieren. Sie ermöglicht außerdem ein weniger prekäres Arbeiten. Zudem haben wir einen Raum, um mit anderen Akteur*innen der Szene in den Austausch zu kommen und unsere Verbindungen zu ihnen zu stärken. Ohne eine Förderung könnten wir beispielsweise auch weniger Reichweite ermöglichen, das Erstellen einer professionellen Projektwebsite wäre z.B. kaum möglich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich, dass die teilnehmenden Künstler*innen & Co. für ihre Arbeit honoriert werden können. Andererseits rückte unser eigener dezidiert künstlerischer Austausch im Kollektiv (z.B. Textbesprechungen) vor allem zur Startphase des Projekts in den Hintergrund.
3. Durch das Lesereihe soll ein Gedichtgewebe entstehen, dass von Lesung zu Lesung wächst. Wie habt ihr die drei Ursprungspunkte für das Gedichtgewebe ausgesucht und warum sind es gerade diese drei geworden?
Der Ursprung der Projektidee liegt in einem gemeinsamen Schreibwochenende unseres Kollektivs, wo wir das erste Mal über einen längeren Zeitraum, live bzw. analog und mit in sich geschlossenen Gedichten in den poetischen Dialog gegangen sind, einander geantwortet haben. Als Ausgangspunkt für die ersten Gedichte hatte jedes Mitglied einen Gegenstand oder ein Buch dabei und alle Mitbringsel wurden auf einen gemeinsamen Tisch gelegt. Zu diesen Materialien haben wir dann spontan Texte verfasst, die dann ebenfalls auf den Tisch gelegt wurden und dann als neuer Anknüpfungspunkt verfügbar waren. Einige der erwähnten “Ursprungspunkte” haben es auch auf die “TextOUR” Projekt geschafft, weil sie für die Kollektivmitglieder anschlussfähig waren.
Für die das Websiteformat war es uns wichtig, Resonanzpfade der Gedichte sichtbar zu machen. Mit den Ursprungspunkten im Textnetzt wollen wir abbilden, dass unser Schreiben nicht im luftleeren Raum hängt, dass es stets ein Schreiben vor dem Schreiben ist, Bezugspunkte gibt und dass diese auch Objekt, Erinnerung, Gespräch, Bild sein können. Die Setzung und Benennung als Ursprungspunkte ist Teil einer kollektiven Entscheidungsfindung, die Bezüge markieren möchte und so zugleich ein ich-du/wir-ihr in Frage stellt. Die Ursprungspunkte sollen also sichtbar machen, dass in Einzeltexte immer auch Vermengung, Resonanz, Anknüpfen, Weiterspinnen steckt.
4. Für jede Veranstaltung trefft ihr auf ein anderes Sprachkollektiv. Wonach entscheidet ihr mit wem ihr in den Polylog gehen möchtet und warum habt ihr euch für den 24.09. für das Künstler*innenkollektiv parallelgesellschaft entschieden?
Es ist leider nicht ganz einfach, die Kooperationspartner*innen zu wählen, da es mehr interessante Autor*innen und Gruppen gibt, als wir einbinden können. Während das Projekt läuft, treffen wir auch wieder auf neue Menschen oder Initiativen, die kollektiv arbeiten oder sich um Netzwerke kümmern. Wir haben uns aber zum Ziel gesetzt, möglichst verschiedene Formen von Poesie mit verschiedenen Anliegen und auch verschiedene Präsentationsformen und Sprachen einzubinden und nicht nur, aber auch etablierte Autorinnen der literarischen Szene mit z.B. Schüler*innen oder jungen Schreibenden zusammenzubringen.
Mit Ken und Tanasgol vom Künstler*innenkollektiv parallelgesellschaft gab es im letzten Jahr nach Lesungen schon verschiedene Gespräche zum kollektivem Arbeiten. Daraus entstand der Wunsch zu diesem Thema weiter gemeinsam zu arbeiten. Als Besucher*innen der Lesebühne parallelgesellschaft finden wir immer wieder das Format der Leseshow spannend. Es gab ein Bedürfnis, dem weiter nachzuzugehen, was Spoken Word heute sein kann, auszuloten, wie verwoben das Sprechen und die Frage wer spricht wo und wie mit den performten Texten; mit der körperlichen Präsenz ihrer Sprecher*innen ist und welche Konsequenzen das für Formen und Inhalte kollektiver sprachkünstlerischer Arbeit hat. Auch dem nachzuspüren, dass die Nähe zur Musik, Sound, teils Rap, Diskurs so präsent ist – da es bei jeder Show auch ein Gespräch gibt, das an Motti des Abends anschließt (etwa “Elternabend”, “United colours of Wohlstand” oder “der weiße Mann und das Meer”). Und dass immer Musiker*innen involviert sind, Sound und Gästi*nnen, die als “Gastarbeiter*innen” angekündigt werden.
5. Wie verändert die Zusammenarbeit im Kollektiv euer eigenes Schreiben?
Das Kollektiv gibt als “Homebase”, als sicherer Ort für das eigene poetische Anliegen einen Rückhalt im und eine Zuversicht zum Schreiben. Es gab auch im Laufe der 5 Jahre immer wieder Befruchtungen unter den Stimmen der Kollektivmitglieder, es entwickelte sich zu einem gewissen Grad eine Art Harmonien zwischen unseren Schreibweisen, die aber schwer zu greifen bleibt.