Highlights am Mehringdamm Teil III: „¿Comment! Lesen ist schreiben ist lesen“

Diskussion und Performance mit Scott Sutherland und Simone Kornappel im Rahmen von ¿Comment! Foto: © gezett.de

Wir machen weiter mit den Highlights am Mehringdamm. 2014 war ein ereignisreiches und wildes Jahr in der Lettrétage. Direkt nach „Soundout“ ging es weiter mit der nächsten intermedialen Performance-Reihe: „Lesen ist Schreiben ist Lesen“ – so lautete das Motto von „¿Comment!“, einem Literaturprojekt, das für Berliner Schüler*innen geschaffen wurde. Initiiert wurde „¿Comment!“ von Lettrétage-Mitgründerin Katharina Deloglu und Christian Gröschel.

Intermediale Inszenierung der digitale Schreib-Lese-Schreib-Zirkel in der Lettrétage. Foto: © gezett.de

Mit der Grundidee, dass Lesen auch immer ein kreativer Prozess ist, setzten sich 120 Schüler*innen und weitere Lesende auf einem Blog mit literarischen Texten auseinander – von Fiston Mwanza Mujila, Vincent Message und Christian Prigent.

Es ging um die Leerstelle zwischen Produktion und Rezeption: Kommentare, Weiterdichtungen in Bild-, Film- und Textform sollten entstehen. Diese Phase des Projekts dauerte von Ende September bis Mitte Oktober 2014 , in der beide Seiten in regem digitalen Austausch miteinander standen.

Fiston Mwanza Mujilas Gedicht „Monologue d’un damné“ zum Beispiel war Ausgangspunkt für Zeichnungen, eine erarbeitete Biografie des titelgebenden „Verdammten“, Briefe an ihn, Weiterdichtungen und natürlich viele Fragen. Der Blog des Projekts ist immer noch online und bildet ein schönes Archiv dieser besonderen Form der ästhetischen Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Bei Fiston Mwanza Mujila sah das z.B. so aus:

„Gernot Krämer postete seine Notizen zur Arbeit an Mwanzas Text, Thomas Köck begann trotz mangelnder Französischkenntnisse, den Originaltext zu lesen und dachte nach über die Bohéme bei Mwanza und anderswo. Sandra Gugic zog die Parallele zu den Doors, Naked Lunch und Nicki Minaj.

Fiston Mwanza selbst mischte sich unter die Schüler, kommentierte ihre Kommentare und beantwortete Fragen. So kam Bewegung in die Diskussion seiner Texte: Die Schüler wollten wissen, was hinter dem Text steckt und wie viel von ihm selbst im Protagonisten steckt. Sie tauschten sich aus mit ihm über Kindheitserinnerungen, Bücher, Alkohol und Jazz aus dem Kongo.“

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Fiston Mwanza Mujla und Jörg Albrecht in der Lettrétage. Foto: © gezett.de

In der zweiten Phase des Projekts kamen die vier Autor*innen nach Berlin und trafen an vier Nachmittagen die Schüler*innen zum persönlichen Gespräch. Abschließend folgte jeweils eine multimediale Inszenierung des gemeinsamen Blogs durch vier Kurator*innen in der Lettrétage. Hier wurden – ähnlich wie bei „Soundout“ – Grenzen der etablierten Literaturvermittlung verschoben und Formate der kollektiven, interaktiven Präsentation erprobt.

Florian Kniffka hat seine Eindrücke der Abende für die Literaturnachrichten aufgeschrieben:

[…] Die Lettrétage, das etwas andere Literaturhaus auf dem Berliner Mehringdamm, wird über einen schmalen Gang erreicht. Sie liegt auf der anderen Seite eines Hinterhofs und besticht durch ihren Werkstattcharakter. Hier ist Literatur Prozess und Einladung zum Mit- und Weitermachen. Ein starres Raumkonzept steht der Fantasie nicht im Wege. Der Beamer wirft einen Film über die Köpfe der Zuschauer an die sonst nackte Wand: einen Boxkampf. Ob legendär oder unbedeutend ist nicht zu sagen. Ein großer Teil des Publikums lümmelt sich auf einer Sitzsacklandschaft vor der Projektionsfläche. „So viele junge Leute waren noch nie da!“ begeistert sich Katharina Deloglu, Mitbegründerin der Lettrétage. Ihre und Christian Gröschels Hoffnung war gewesen, durch die Einbindung digitaler Techniken in die Literaturvermittlung neue und gerade jüngere Öffentlichkeiten zu erschließen. Daher waren mit den Profilesern auch zehn Berliner Schulklassen aufgefordert, am Chat mit den Autoren teilzunehmen. Gröschel, selbst Lehrer, ist überzeugt, dass die Mitgestaltung eines literarischen Events den Schülern besser in Erinnerung bleiben wird als der reine Unterricht. Beim Übergang vom Klassenzimmer in die Lettrétage befördert „¿Comment!“ nämlich den Mut zur eigenen, individuellen Lesart. Erklärtes Ziel ist, literarische Autoritäten in Frage zu stellen und Literaturkritik als Vermittlungsinstanz zu entthronen. […]

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Noch näher dran kommen Sie nur noch mit dieser Aufzeichnung der Diskussion/Installation/Performance mit Ross Sutherland am 18. November 2014 in der Lettrétage: