Doppelinterview mit Serpent und etcetera press

Teresa Maria Metzinger (c) Claudia Greco; Florenz Bransche (c) privat; Erec Schumacher (c) privat

Im Juni werfen in der Lettrétage zwei Abende ein Schlaglicht darauf, „was in diesem Land abseits der großen Futtertröge geschrieben wird“, „was sich abseits des etablierten Literaturbetriebs tummelt“. Wer hier zwei Lanzen fürs „Abseitige“ bricht, sind ein Magazin und ein Verlag aus Berlin: zum einen der Serpent, dessen 14. Ausgabe am 2. Juni mit ÄCHZEN UND STÖHNEN UND SCHWÄRMEN die Bühne betritt; und zum anderen die etcetera press, die am 14. Juni UNTERWEGS IN NETZWERKEN ist, um neueste Titel aus ihrem Programm zu präsentieren. Angesichts ihrer gemeinsamen Stoßrichtung drängte sich ein Doppelinterview zur Vorstellung dieser beiden Independent-Projekte geradezu auf. Wir jedenfalls konnten nicht widerstehen. Unser Dank gilt dabei Teresa Metzinger und Florenz Bransche, die den Serpent herausgeben, sowie Erec Schumacher, dem Kopf hinter etcetera press, für ihre Auskunftsbereitschaft.

Lettrétage: Auf die Gefahr hin, zwei aus dem Zusammenhang gerissene Zitate zu überstrapazieren: Wenn eure Projekte sich bewusst dem widmen, was „abseits“ des – sagen wir mal – Lukrativen liegt, wie lässt sich das im Schatten des Buchmarkts Geschriebene aus eurer Sicht charakterisieren? Was motiviert euch, solche Texte zu präsentieren?

Florenz: Das ist ein weites Feld, von dem ich nicht sagen kann, dass ich es auch nur ansatzweise überblicke. Charakteristisch dürfte sein: es geht nicht ums Geld verdienen, nicht um öffentliche Anerkennung, nicht um das große Publikum oder Erfolg. Die Motivation ist schlicht: Freude an der Herstellung und Verteilung kleiner ungewöhnlicher Hefte und am eigenwilligen schriftlichen Ausdruck.

Teresa: Mich motiviert, Fragmente veröffentlichen zu können, vermeintlich Unfertiges, was sich nicht an eine Form hält, was bei Calls anderer Literaturzeitschriften ob des Themas vielleicht unterginge. Wir merken aber auch: desto länger es den Serpent nun in einer gewissen Regelmäßigkeit gibt, desto mehr bewegt mensch sich aus dem Schatten heraus.

Erec:  Ich fremdle immer mit Zuschreibungen wie „abseits des“ oder „im Schatten von“. Auch wenn die Auflagen klein sind, besagt das erst mal gar nichts. Ich sehe mich mit meinem Verlag eher als Nischenausleuchter und halte das für maximal relevant. Ich bin überzeugt, dass eine derartige Praxis für mein Karma höchst lukrativ ist. 

Lettrétage: Welchen Platz nehmen der Serpent bzw. etcetera press in eurem Berufsalltag ein?

Florenz: Keinen Platz, denn ich arbeite nicht als Verleger und strebe das auch nicht an. Ich mache es nur nebenbei, gelegenheitsmäßig, und hätte gern mehr Zeit dafür.

Teresa: Ich wünschte mir manchmal, gerade bei der Arbeit an einer neuen Ausgabe, Arbeit am Serpent wäre entlohnte Redaktionsarbeit. Gleichzeitig möchte ich die Freiheit nicht missen, dreimal oder gar kein Mal in einem Jahr erscheinen zu können und keinem Programm folgen zu müssen. Die Arbeit am Magazin fühlt sich für mich aber oft schizophren an: Herausgabe einer Zeitschrift, (Redaktions)Kommunikation zwischen Halle und Berlin, ein siebenjähriges Kind, Lohnarbeit, schnell in die Druckerei am Kottbusser Tor mit dem Rad, wenn das Kind in der Schule abgegeben ist.

Gerade der Lohnarbeitsalltag der Schreibenden, das Geldverdienenmüssen und sein Elend machen für mich den Serpent mit seinen Texten echter als andere Zeitschriften und Zines, mein sogenannter Berufsalltag fügt sich in einer Weise ein, der Serpent ist davon nicht losgelöst, kein Hobby.

Erec: Die Grenzen sind fliessend. etcetera press startete als Projekt während der Pandemie, um mich zunächst selbst als Künstler neu zu erfinden. Ich habe seitdem 24 Chapbooks geschrieben, jedes total anders, im Grunde mit 24 unterschiedlichen Autoren-Ichs. Erst Ende 2022 habe ich die Entscheidung getroffen, dass jetzt auch mal andere ran sollen, so sie denn wollen. Ich sehe es so: einen Verlag zu gründen, der ostentativ wenig abwirft, ist ja auch irgendwie so eine Art Ehrenamt. Und ich mag es, non-profit-mäßig zu agieren, Projekte zu begleiten und zu gestalten, die mir einfach Spaß machen. Alles andere ist eine Frage der berüchtigten Mischkalkulation. Und dann gibts da natürlich auch noch die Familie, die eigenen Kinder.

Lettrétage: Wie geht ihr mit der Herausforderung um, Publikum für das Magazin bzw. für das Verlagsprogramm zu gewinnen und es zum Entdecken neuer literarischer Erfahrungen zu ermutigen?

Florenz: Eine technische Frage für Professionelle, die sich mir nicht wirklich stellt. Man verlässt sich auf den Zufall oder Kairos, die schenkende Geste, den Charakter und das Publikum der Orte, an denen der Serpent anzutreffen ist und auf die Lust zu Entdecken.

Teresa: Wir haben seit Anfang 2020 und nochmal stärker seit diesem Jahr auch das gegenteiliges Phänomen, dass der Serpent in gewissen Kreisen einen Namen hat und uns wahrscheinlich ein Abonnement System langsam gut finanzieren könnte, wir könnten vermutlich auch viel mehr Veranstaltungen im Raum Berlin/Leipzig machen – wir machen bisher, abgesehen von einem Newsletter, gar keine Werbung und die Veranstaltung in der Lettrétage wird unsere erste öffentlich angekündigte. Wenn es noch mehr Interesse als jetzt gäbe, müssten wir unsere (Nicht) Strukturen neu überdenken, und danach steht uns z. Zt. gar nicht der Sinn.

Erec: Das ist im Fluss, vieles ist noch Mundpropaganda, aber es wächst langsam, so mein Eindruck, proportional zu meiner wachsenden Professionalisierung in allen möglichen Bereichen des Verlegens. Noch betreibe ich den Verlag im Wesentlichen alleine, da kommt gerade Marketing leider etwas zu kurz.

Lettrétage: Welche Art von Rückmeldungen erhaltet ihr zu euren Projekten? Und welche Auswirkungen haben sie auf deren Zukunft?

Florenz: Im Allgemeinen machen die Leute wenig Bemerkungen über die Zeitschrift und man spekuliert, woran das liegen könnte. Es gibt einige Hypothesen, die hier und da im Heft erschienen sind. Der passive Konsument und die Allgegenwart von Preisschildern dürften ein Großteil des Problems umreißen. Wenige wissen die Zeitschrift zu schätzen und ihre kleinen Aufmerksamkeiten bestärken uns. Da es ja nicht um das große Publikum und seine etwaigen Meinungen geht, sondern um das, was wir drucken, hat die Ignoranz aber geringes Gewicht für die Fortsetzung der Zeitschrift. Man darf sich nicht davon beirren lassen, dass es manchmal den Anschein macht, man würde ins Leere schreiben.

Teresa: Ich bin manchmal erstaunt, wenn Menschen im persönlichen Kontakt sich beeindruckt zurückmelden, weil ich oft eher Understatement betreibe. Ich denke mir: Ich schreibe, dann sind da noch ein paar Texte von anderen Autor*innen, die ich kenne und mag, machen wir ein Zine, geben wir sie heraus. Wozu und auf was warten? Die Reaktionen, die oft eher im persönlichen Kontakt als per Mail o. ä. kommen, ermutigen mich durchaus, den Serpent weiter erscheinen zu lassen, wenn Fragen kommen, ob es schon eine neue Ausgabe gibt, eine weitere in Planung ist.

Erec: Die Resonanz ist sehr erfreulich, vor allem auf Social Media erhält man doch ein sehr unmittelbares Feedback. Über die Zukunft mache ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken. Tomorrow never knows.

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