Die Villa. Eine Hommage.

Den Weg hatte die Haustür der Villa schon längst gewiesen. Sie wollte nicht mehr richtig ins Schloss fallen. Die Mechanik wahrscheinlich zu alt, das Holz zu verzogen. Nach dem Motto: Der Ausgang steht offen, ich halte hier niemanden mehr. Seit dem 27. Januar 2022 ist die Lettrétage in der Methfesselstraße Geschichte. Das waren die Lesungen dort zwar schon seit 2013, aber nun gilt es auch für die Büros, die in die Kolonnenstraße umgezogen sind. Von einem Berg zum anderen. Schöne Lage, die Räume dort sind hell, alles ist neuer und besser in Schuss. Nur wird niemand mehr einfach so beim Vorbeigehen klingeln, um zu fragen, was das eigentlich für ein alter Kasten sei, dieses große, charmante, halbverfallene Haus mitten in der Stadt.

Ganz zu schweigen von dem Gefühl, auch zu später Stunde nie alleine zu sein, weil es irgendwo im Gebäude knirschte und knackte. In Schöneberg ist dafür die Lawinengefahr gebannt – Zigaretten können fortan draußen geraucht werden, ohne dass direkt neben einem ein halber Meter Fassade runterkommt. Aber wer pflückt zukünftig die Quitten im Garten? Denn „Gartenarbeit“ fällt nun als Programmpunkt auf Konferenzen weg. Dieses verwilderte Areal, gespickt mit alten Möbeln, Gerümpel, Baumaterialien und Schutt, in dem nicht nur Katzenfamilien, Frösche und Eichhörnchen Unterschlupf fanden, sondern auch eine Füchsin und ihre Jungen. Ein Zufluchtsort im Sommer in den Pausen.

Und noch weiter zurück (war es 2007 oder 2008?), der Abend zu Gertrude Stein: Ein passionierter Theatermensch hatte sich die Mühe gemacht, „A rose is a rose is a rose is a rose …“ als Endlosschleife auszuschneiden und wie ein Fries an den Wänden im Eingangsbereich aufzukleben. In mehrere Schichten schienen indes die Gäste aus Nepal gehüllt, die zu einer Lesung anreisten und ihre dicke Winterkleidung auch im Innenraum nicht ablegen wollten. Die einen sprachen weder Deutsch noch Englisch, die anderen kein Nepalesisch. Aber mit Hand und Fuß und nicht zuletzt durch das gemeinsame Interesse an Literatur verstand man sich prächtig.

Wer hier in den Anfangstagen las, tat das für eine halbe Abendkasse und sehr viel Rotwein. „Learning by burning“ lautete die Devise. Das Programm war, wie man so sagt, gemischt. Aber das war grade das Interessante daran. Man wurde immer wieder überrascht. Wie von der Mitbewohnerin, die regelmäßig während Lesungen reingestürmt kam, um sich lautstark über den Geräuschpegel zu beschweren. Sie versprach, Filzpantoffeln für alle zu nähen. Eine leise Sohle wurde jedoch nie aufs Parkett gelegt. Aber Erinnerungen wie diese werden die Lettrétage auf Schritt und Tritt begleiten – egal, wo es sie in Zukunft hin verschlägt.

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