Die Lettrétage im November

Der November in der Lettrétage ist geprägt von Premieren aller Art. Ob Texte, Romane oder Zeitschriften: Es gibt viel Neues zu entdecken! Und auf Altes wird ein frischer Blick geworfen. Doch der Reihe nach.

Am 1. November geht es los mit RISSE IM ZAUBERBERG. Julia Knaß, Anna Neuwirth, Isobel Markus und Christiane Quandt – die sich literarisch fast ausschließlich online austoben – stellen ihre neue Projekte vor. An diesem Abend sprechen sie außerdem über den Entstehungsprozess von Literatur, Branding, Bücher, Berlin und die Pandemie. Julia Knaß und Anna Neuwirth schreiben für- oder miteinander. Auf diese Weise ist auch ihr Text RISSE entstanden. Christiane Quandt hat Facebook und Instagram zu ihrem Textlabor gemacht. Das bezeugen die mittlerweile über 600 „Einträge“, die seit der Pandemie entstanden sind. Eine Auswahl ist unter dem Titel AUF DEM ZAUBERBERG IST KEIN PLATZ MEHR FÜR ALLE erschienen. Isobel Markus veröffentlichte zuletzt das Buch NEUES AUS DER STADT DER AUSGEFALLENEN LEUCHTBUCHSTABEN. Darin spürt sie den Geschichten nach, die der Berliner Alltag zu bieten hat.

Vor 48 Jahren wurde der italienischen Schriftsteller, Regisseur, Kritiker und Dichter Pier Paolo Pasolini in Ostia ermordet. Am 2. November besteht nun die Möglichkeit, PASOLINI ZUM TODESTAG neu oder wieder kennenzulernen. Als Kommunist und Schwuler war Pasolini immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. Sein Werk polarisierte. Dass seine Texte nichts von ihrer Faszination verloren haben, will die Lesung an diesem Abend unter Beweis stellen. Im anschließenden Gespräch wird versucht, Antworten auf die Fragen zu finden, die Pasolinis Werk nach wie vor aufwirft.

Zwar keine Buchpremiere im eigentlichen Sinn, aber die erste Lesung aus POMMFRITZ AUS DER HÖLLE in Berlin gibt es am 3. November zu erleben. Lioba Happels neuester Roman gewann dieses Jahr den Schweizer Literaturpreis. Der Ich-Erzähler Pommfritz schildert im Text seine Kindheit, die er angebunden an ein Tischbein allein mit seiner Grillhähnchen und Pommes verschlingenden Mutter verbrachte. Nachdem er sie getötet und danach verspeist hat – „naja, ʼn Stückchen von ihr, ʼne Kuppe vom Finger“ –, sitzt er im Gefängnis. Was Pommfritz sonst noch aus seinem Leben zu berichten weiß, erfährt man an dem ausdrücklich als „keine Wasserglaslesung“ bezeichneten Abend, der von Tom Bresemann moderiert wird.

Am 9. November öffnet der SALON SCHELF wieder seine Flügeltüren: DIESE TÜR KÖNNTE DEINE LETZTE SEIN stellt Klaus Ungerer in Aussicht. Nachdem er letztes Mal seine Gesangskünste vorgeführt hat, steht an diesem Abend jemand anderes im Vordergrund. EC ZANDER liest aus seinem literarischen Debüt DIE TÜR, „einer spannenden Novelle über das Niemandsland der letzten Sekunden deines Lebens.“ In seinem Debüt begibt sich der Autor in eine Welt, die keine Menschenseele kennt, aber jede erleben wird. Den Soundtrack des Abends liefern die Jazzmusikerin Maike Hilbig und ihr Kontrabass.

WHO THE FUCK IS HEGEL? Das haben sich sicherlich schon einige Menschen gefragt – vor allem wohl Student:innen der Philosophie. Am 10. November wollen Lilian Peter und Veronika Reichl Antworten auf diese und weitere Fragen finden: Was passiert, wenn Texte beginnen zu denken? Was passiert, wenn Denken Text wird? Lesen Menschen Texte oder lesen Texte Menschen? Lilian Peters spannt in ihrem Essayband MUTTER GEHT AUS weite Bögen, etwa vom Spielen als Kind im Haus der Großmutter zur Thomas Mann’schen Familienkonstellationen oder von Momenten der Flugangst zur Geschichte der Lufthansa. Die Autorin sagt dabei über ihre eigenen Texte: Sie werden nicht die Mutter von Hegels Kindern gewesen sein. Veronika Reichls neuer Band DAS GEFÜHL ZU DENKEN beinhaltet Erzählungen über das Lesen von Theorie. Reichl legt dar, wie unterschiedliche Leser:innen sich mit „autoritären Großphilosoph:innen“ herumschlagen.

Flora S. Mahler hat ebenfalls ihren neuen Roman im Gepäck und stellt DIE ZEITFORSCHERIN in einer BUCHPREMIERE am 12. November vor. Der Text geht der Frage nach, was passiert, wenn die Tür zwischen der Welt der Lebendigen und der Toten einen Spalt breit offen bleibt. Die Protagonistin Ina will unbedingt einen Augenblick einholen, den sie mit ihrer vor zehn Jahren verstorbenen Mutter verbracht hat. Der Verlag Müry Salzmann beschreibt das Buch als „brillantes Vexierspiel, in dem die Grenzen zwischen den Welten und den Zeiten verschwimmen.“

Sand ist ein halbjährlich erscheinendes Literatur- und Kulturmagazin. Und am 15. November wird die 26. Edition in der Lettrétage an den Start gehen! Bei SAND 26 LAUNCH: SHIFTING sind Lukas Kofoed Reimann, Max Steiner und Bachittar Singh mit dabei, um einen Einblick in ihre Texte geben. Aber auch ein Blick hinter die Kulissen wird gewährt: Grafikdesignerin Déborah-Loïs Séry zeigt, wie die Ausgabe entstanden ist. Anschließend wird noch mit einem Drink (oder zwei) gebührend gefeiert.

Kerstin Doerenbruch stimmt am 16. November ein ernstes Thema an, wenn sie fragt: SIND WIR NOCH ZU RETTEN? Die Autorin, Diplom-Ingenieurin, Dozentin und Greenpeace-Aktivistin absolvierte ein Studium der Umweltwissenschaften, um ihr Wissen in Sachen Klimawandel zu erweitern. Das Thema ihrer Masterarbeit – Geoengineering – hat sie dann kurzum in ihrem ersten Roman TOTAL RESET verarbeitet. Es entstand ein Science-Fiction-Roman, der, wenn es schlecht läuft, gar keine Sci-Fi sein wird. Denn womöglich ist das beschriebene Szenario bald die letzte Option, den Klimawandel noch zu begrenzen.

Fast noch druckfrisch ist am 17. November LIEBE DUNKELHEIT, das neue Buch von Boris Hoge-Benteler. Der knapp einen Monat vorher erschienene Briefroman handelt von zwei Geschwistern, ihren Freunden und der Vergangenheit. Themen wie das Ausgeliefertsein und der Verlust geliebter Menschen werden – laut verlegerischer Selbstbeschreibung – in einer „traumwandlerisch-halluzinativer Sprache“ erzählt, die „die Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt auf kunstvolle Weise zum Verschwinden bringt“. Moderiert wird der Abend von der Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin und Verlegerin Julia Kulewatz.

Und die Woche ist noch nicht vorbei! Gleich drei neue Bücher von drei verschiedenen Autoren können am 18. November entdeckt werden. Der Titel der Veranstaltung – ÜBERBLENDEN. BLENDEN. ENDEN. – gibt schon einen ersten Hinweis, um was es gehen wird: „differente Verfahren der Verfremdung“ nennen es die Autoren. In Mark Kanaks Roman LÜGENDETEKTOR – LIE DETECTOR ist nichts so, wie es scheint. Wahrheit und Lüge stehen im ständigen Wechselspiel und niemand traut dem anderen. Ralf B. Korte legt mit TAGEWAISE. NOTATE ein scheinbares Tagebuch vor, in dem konkretes Handeln nahezu hinter einem Vorhang aus zitierten Fakten verschwindet. Und da sind noch die Einwände Dritter, die immer wieder ins Wort fallen dürfen. Clemens Schittko ist jemand, der Gedichte eher findet als erfindet. In ALLES GUT zeigt er, dass Gedichte in so ziemlich allem stecken können: in Computerfehlermeldungen, in Schlagzeilen der Yellow-Press, in Nekrologen ebenso wie in der Bundesligatabelle oder auch in standardisierten Antwortschreiben von Preiskomitees und Verlagen.

Copyrights:

Obere Reihe von links nach rechts: Christiane Quandt/Isobel Marcus/Julia Knaß/Anna Neuwirth, Sand Magazine, Klaus Ungerer, Veronika Reichl, Asgar/Gabriel

Untere Reihe: Lioba Happel, Kerstin Doerenbruch, kul-ja! publishing, C. B. Corte, Clemens Schittko