Die Lettrétage im Mai

(c) Tom Bresemann

Auch wenn die Eisheiligen erst kommen, der letzte Frost ist gewesen und es wird Sommer. Der Mai in der Lettrétage bringt den Achten Branchentreff Literatur, verschiedene Lesereihen, Buchpräsentationen und Diskussionsformate, eine Preisverleihung und eine zweisprachige Performance mit lautsprachlicher Lyrik und Gebärdensprachpoesie.

Von Donnerstag, den 02., bis Samstag, den 04. Mai findet, nun zum bereits 8. Mal, der Branchentreff Literatur statt. Unter dem Titel „ÖFFENTLICH – Publikum, Publicity, Public Persona“ steht in diesem Jahrdie Interaktion mit der Öffentlichkeit thematischim Zentrum .Wie präsentiere ich mich Verlagen und Agenturen, um überhaupt veröffentlicht zu werden? Was muss, darf, sollte ich als Autor:in tun, um öffentlich wahrgenommen zu werden? Im Erfolgsfall werde ich dann zur „öffentlichen Person“. Wie kann ein Teil von mir trotzdem Privatperson bleiben? Wie entwickele ich eine öffentliche Persona und schütze den privaten Bereich? Wie arbeite ich mit der Öffentlichkeit und welche Fehler sollte ich besser nicht begehen, wenn alles, was ich tue, in Echtzeit kommentiert und multipliziert werden kann? Zu diesen und anderen Fragen wird eine breite Palette an Veranstaltungen angeboten. Neben berufspraktisch orientierten Workshops auf Deutsch und Englisch stehen ein Speed-Dating mit Agent:innen und Lektor:innen sowie das zweite Branchentreff-Barcamp auf dem Programm. Speziell für Übersetzende werden außerdem Workshops zu den Themen KI und Sensitivity Translating angeboten. Für Kinderbetreuung und Verpflegung ist gesorgt.

Am Dienstag, den 07. Mai, bieten mit Katharina Angus, Sidney Kaufmann, Judith Lösch, Anne OltscherundJacquelin Strobel im Rahmen von „Gegenwart lesen – aus der Werkstatt junger Autor*innen“ fünf junge Literaturschaffende Einblicke in ihre literarische Werkstatt. Vorgestellt werden Texte, die diese fünf Autor:innen im Rahmen eines Kollegs mit Lutz Seiler, dem letztjährigen Träger des Berliner Literaturpreises, am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin verfasst haben. Gemeinsam mit 13 Studierenden anderer Fächer waren sie – alle fünf immatrikuliert im Master Angewandte Literaturwissenschaft – Gegenwartsliteratur – für das Kolleg der Stiftung Preußische Seehandlung ausgewählt worden. Entstanden ist Literatur, die unverkennbar eigene Stimmen hören lässt: jede mit ihrem Rhythmus, ihrer Atmosphäre, ihrem Verhältnis zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Am Freitag, den 10. Mai, findet die Buchpremiere von Ishi Robinsons Roman „Sweetness in the Skin“ (HarperCollins) statt. Die vierzehnjährige Pumkin Patterson lebt in einem Zweizimmerhaus in Kingston, Jamaika, mit ihrer hingebungsvollen Großmutter, ihrer geliebten Tante Sophie und einer Mutter, die sich nicht weniger um sie kümmert. Als ihr hinterhältiger, entfremdeter Vater auftaucht, ist Pumkins einziger wirklicher Ausweg das Backen – beim Zubereiten von Süßkartoffelpudding und Apfeltaschen kann sie den Streit zu Hause vergessen. Als Tante Sophie das Angebot erhält, nach Frankreich zu ziehen, verspricht sie, Pumkin nachkommen zu lassen, sobald sie es sich leisten kann. Doch als sich die Lage in Pumkins Haushalt verschlechtert, ist sie fest entschlossen, das Geld selbst aufzubringen. Ihre Mutter ist fest entschlossen, sie zum Bleiben zu bewegen, aber werden ihre Freunde, Nachbarn und ihr Backtalent ihre Rettung sein? Ishi Robinson liest aus ihrem neuen Roman und spricht darüber mit Jane Flett. Anschließend folgt eine Fragerunde des Publikums. Und: Wer mag, kann sich vor Ort das Buch signieren lassen.

Am Donnerstag, den 16. Mai, begrüßen wir „The Dead Ladies Show #36“. Bisher in unmittelbarer Nähe zu uns im ACUD stattgefunden ist THE DEAD LADIES SHOW eine Reihe von unterhaltsamen und inspirierenden Präsentationen über Frauen, die trotz aller Widrigkeiten Erstaunliches geleistet haben. In jeder Show treten leidenschaftliche Cheerleaderinnen von allzu oft vergessenen Frauen auf und laden ihr treues Publikum zu einer Art sexy Séance ein, um diese beeindruckenden Ikonen, turbulenten Leben und todeslosen Vermächtnisse zu feiern. Die Co-Moderator:innen Katy Derbyshire und Florian Duijsens sowie die Kuratorin, Autorin und Filmproduzentin Rachel Pronger werden den Abend gestalten. Vorgestellt werden: Anna Göldi, die als letzte Frau 1782 in der Schweiz legal hingerichtet wurde, nachdem sie der Hexerei beschuldigt worden war; die tschechische Drehbuchautorin, Kostüm- und Bühnenbildnerin, Autorin und Filmregisseurin Ester Krumbachová und Dame Miriam Rothschild, eine britische Zoologin, Entomologin und Botanikerin.

Am Freitag, den 17. Mai, ist wieder Salon Schelf, diesen Monat mit ihrer Veranstaltung: Literatur ohne Betrieb: Drei Jahre „edition schelf“. Vor drei Jahren beschlossen Andreas Baum und Klaus Ungerer(Autoren bei Rowohlt, Ullstein, Tropen, mare, etc, etc.): Sie hatten genug gehört vom Gejammer im Literaturbetrieb. „Der Markt will unsere Novellen nicht? Okay, der Markt kann uns mal liebhaben.“ Mit jugendlichem Punk-Ethos gründeten sie ihr eigenes Label. Die EDITION SCHELF. Drei Jahre später sind sieben Bücher auf dem Markt. Das wird gefeiert! Autoren wie Marc Ottiker und EC Zander geben Einblicke in die Werkstatt, Ungerer und Baum erzählen joviale Schwänke aus dem Verlegerleben. Maike Hilbig am Bass sorgt für die musikalische Untermalung und durch den Abend führt Mladen Gladić.


Am Mittwoch, den 22. Mai ,findet die Release-Lesung »Mimikry« statt. Ann Esswein liest aus ihrem Debütroman, der einen Tag vorher bei Nagel & Kimche (HarperCollins) erscheint.Drei Protagonist:innen erzählen die Geschichte einer Person nach, die entschieden hat, bei einem gesellschaftlichen Platzkampf nicht mitzumachen. Ann Essweins Debüt handelt vom Changieren zwischen Konformität und Abnormität und der Emanzipation von vorgefertigten Lebenswelten. Einer bleibt stehen – und setzt damit alle anderen in Bewegung.
Ein junger Mann, der acht Stunden regungslos im Zentrum einer Stadt steht. Verängstigte Passant:innen rufen die Polizei. Seine Hände hält er in den Hosentaschen vergraben. Wer weiß, vielleicht ist er bewaffnet. Er spricht nicht, reagiert nicht, zeigt keine Gefühlsäußerung, auch nicht, als ein Sonderkommando ihn festnimmt. Psychisch krank sei er wohl, heißt es in einer Nachricht, die an diesem Tag, mitten in einem Rekordsommer, herausgeht. Wer ist er? Wie ist er hier gelandet?

Am Donnerstag, den 23. Mai, lädt der Ibn Rushd Fund zur Veranstaltung Ibn Rushd Young N2: Exploring Sexuality, Islam and Cosmopolitanism through Literature. Es wird zwei Sessions geben. Die erste mit dem Titel: „Sexualität und arabische männliche Autobiographie beginnt mit einer Sufi-Musikkomposition des irakischen Oud-Spielers Qasim Kzar. Anschließend wird der marokkanische Forscher Hassan Ait-El-Ouali der Frage nachgehen, wie der Männlichkeitsdiskurs und die Religiosität die Darstellung des geschlechtlichen Körpers in arabischen autobiographischen Schriften historisch geprägt haben, wobei er die Verheimlichung körperlicher Begierden betont. Die zweite Session trägt den Titel: „Islamotropics: Muslimische Identitäten und Spiritualität in anglophoner Belletristik“. Saleh Chaoui wird unter anderem untersuchen, wie die Tropen der Reise, Verschiebung und Kosmopolitismus in islamotropischen Romanen dazu dienen, die dynamischen Formen transnationaler muslimischer Identitäten darzustellen, insbesondere für weibliche Protagonistinnen, die Religion, Kultur und Zugehörigkeit verhandeln. Dr. Amany Alsiefy (Ibn Rushd Fund/ Humboldt-Universität zu Berlin) moderiert die Veranstaltung, die in englischer Sprache stattfindet.

Am Samstag, den 25. Mai, findet dann mit POING in Wort und Bild die angekündigte Preisverleihung statt. POING IN WORT UND BILD ist eine vom vauvau-verlag für interaktive lyrik ins Leben gerufene Anthologie-Reihe, die alle zwei Jahre zu unterschiedlichen Themen erscheint und Gemeinschaftsarbeiten von Autor:innenpaarungen präsentiert, die sich medienübergreifend in Wort und Bild dialogisch begegnen. Dem Verlagskonzept entsprechend bringen dabei alle Beteiligten sowohl Bilder als auch Texte in die Arbeit ein. Der vorliegende vierte Band, der im Rahmen der Preisverleihung zum Preis für foto-lyrische Duette 2024 an diesem Abend präsentiert wird, trägt den Titel »NAHT« Mit Beiträgen von: Matthias Behne, Lars-Arvid Brischke, Anne Brockmann, Holger Brülls, Patricia Falkenburg, Theres Flury, Christine Gräper, Carmen Jaud, Ottmar Kienle, Carolin Merkle, Tobias Pagel, Christiane Rath, Anika Schröck, Petra Schröck, Liv Mara Mahé Thastum, Clara Cosima Wolff. Es moderieren Thomas Vömel und Christian Vater.

Am Sonntag, den 26. Mai, sprechen die Schriftstellerinnen Ágnes Gurubi, Diána Vonnák und die Übersetzerin Timea Tankó über die Bewahrung des Eigenen in der Fremde, die Fremdheit in der Heimat und die Situation der jungen literarischen Szene in Ungarn. Insgesamt sind neuere Stimmen aus Ungarn im deutschsprachigen Raum weitestgehend unbekannt. Der Berliner Übersetzer:innenkreis, ein Zusammenschluss von Menschen, die sich für die ungarische Sprache und Literatur begeistern und diese Leidenschaft miteinander teilen, hat sich der Aufgabe verschrieben, dies zu ändern. „Anscheinend gehört die Welt uns?“, eine beim KLAK Verlag erschienene Anthologie, versammelt einen lebendigen Stimmenkanon von 17 ungarischen Schriftsteller:innen, die in den letzten zehn Jahren erzählerisch auf sich aufmerksam gemacht haben. Der Titel dieser Anthologie, diese durch ein Fragezeichen abgeschwächte Affirmation, steht für eine Autor:innengeneration, die sich schreibend einen eigenen Blick, einen eigenen Zugriff auf die Welt erlaubt und es wagt, eigene und fremde Narrative und Standpunkte zu hinterfragen. Regina Gisbertz liest die Texte.

Das Ende des Monats ist eine direkte Überleitung in den nächsten. Am Freitag, den 31. Mai, findet der erste der beiden Termine von „Fluide Glossare. Ein Kettengedicht“ statt. Wie sieht eine queere Sprache aus? Und wie verändern sich die Begriffe queerer Lebensrealitäten zwischen Tauben und hörenden Individuen? Wie bilden sich neue Begriffe und wie bilden sich neue Gebärden für neue Begriffe? Nach verschiedenen Kooperationen in den letzten Jahren bringt die Literaturinitiative handverlesen gemeinsam mit der Lettrétage wieder Taube und hörende Künstler:innen zusammen, um gemeinsam an der Sprache zu arbeiten, sich gegenseitig zu übersetzen und neue Formen des Ausdrucks zu finden. In einem intensiven Produktionsworkshop haben zwei Taube und zwei hörende queere Künstler:innen das Format des Glossars als Ausgangspunkt eines Prozesses genommen, in dem sie sich Fragen nach der Herkunft von Begriffen, ihrer Deutungsmacht und ihrem Eigenleben gestellt haben. Entstanden ist dabei ein Kettengedicht in deutscher Laut- und Gebärdensprache, ein fluides Kunstwerk, das von der jeweiligen Sprach- und Übersetzungsarbeit der Beteiligten geprägt ist: In einer zweisprachigen Performance kommen lautsprachliche Lyrik und Gebärdensprachpoesie, kommen queere Lebenswelten Tauber und hörender Menschen zusammen. Moderieren wird Dana Cermane.
Mit Jon Savkin, Ela Beysun, Anna Hetzer und Biba Oskar Nass.