Die Lettrétage im Januar

(c) Mirko Lux

Im neuen Jahr nimmt das Lettrétage-Programm eine Woche Anlauf, um am 11. Januar zunächst in einer Nische zu landen – oder vielleicht sogar „in den Nischen der Nischen“. Dort fühlt sich laut Selbstbeschreibung die Berliner etcetera press heimisch. Zusammen mit dem Black Ink Verlag wird sie neue Lyrik vorstellen, namentlich von Titus Meyer, Karla Reimert Montasser, Erec Schumacher und Nikolai Vogel. SURVIVAL IN NISCHEN schließt dabei auch die Frage danach ein, was es bedeutet, einen Verlag zu gründen und am Leben zu halten, und wie es ist, Schreiben und Familie unter einen Hut zu bekommen. Und es geht poetisch weiter: Am 15. Januar, treffen sich, angestiftet von der parasitenpresse, die Kölner und Berliner Literaturszene zu einem PARASITÄREN VERLAGSABEND, an dem Veronique Homann, Jelena Jeremejewa, Adrian Kasnitz, Daniel Ketteler, Jonas Linnebank und Matthias Nawrat aus ihren jüngst erschienenen Texten lesen werden.

Ralph Hammerthalers drei letzten Romane erzählen vom Kosovo und dem Ruhrgebiet. Sie entspringen direkt vor Ort gemachten Erfahrungen und Eindrücken, die sich etwa, wie die taz mit Blick auf KOSOVOS TÖCHTER lobt, in „hart elliptischen, atmosphärischen Dialogen“ niederschlagen. EIN ABEND MIT RALPH HAMMERTHALER UND SEINEN ROMANEN am 19. Januar bietet dabei nicht nur eine Lesung, sondern gewährt auch Einblicke in den Entstehungsprozess der Bücher, zu denen der Autor gerne Rede und Antwort steht.

DAS GRÖßTE ABENTEUER ALLER ZEITEN ist kurz, denn es ist eine Short Story aus dem Band DER SCHLURZ UND ANDERE GRAUSAME GESCHICHTEN, den Wilfried Happel am 20. Januar präsentieren wird. Am Anfang steht „ein eingeschmuggeltes Alien in Menschengestalt, sozusagen ein interplanetarisches Kuckucksei“, das sich unversehens auf einer Holzbank vor einem spätgotischen Fachwerkhaus wiederfindet und einen Personalausweis hat: Helmut Kuehn, gebürtig den 30. Februar 1261 in einem Ort namens Erdlingen. Und damit hören die Skurrilitäten noch längst nicht auf…

Einen „versehentlichen Hoffnungsroman“ hat Leona Stahlmann ihren zweiten Roman im Gespräch mit der SZ genannt. Was fast nach einem eigenen Genre klingt, ist eine Geschichte über Sehnsucht nach Natur, lebensrettende Wahlverwandtschaften und die Hoffnung, die in den Gezeiten liegt. DIESE GANZEN BELANGLOSEN WUNDER sind am 21. Januar in Begleitung von Ahabs Linkes Bein zu erleben, einem Kammerorchester, dessen Musik, so das Versprechen, zwischen zerbrechlicher Intimität und Aufstand changiert.

Wahrscheinlich wäre das auch der passende Soundtrack für den 23. Januar. An diesem Abend lädt der Réseau des Autrices francophones de Berlin zu einer DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN LESEBÜHNE ein – mit einem „Schrei der Revolte, des Zorns und der Veränderung“, der zum „Kampf für die Rechte der Frauen“ aufruft. Dafür werden bis zum 16. Januar um Mitternacht Texte mit einer Länge von max. 1.000 Worten gesucht. Das Thema: „Gewaltsame Sanftheit, sanfte Gewalt, erlittene Gewalt, umgekehrte Gewalt, notwendige Gewalt.“ Für jeden ausgewählten und auf der Bühne vorgetragenen Text gibt es eine Gage von 80€.

Der 28. Januar gehört dem radikalen Pop und einer seiner Ikonen: Genesis P-Orrdige, Mitbegründer von Throbbing Gristle, einer Avantgarde-Combo, die „mit der Wirkung von Tieffrequenzen, Reaktionen wie Schwindelgefühlen, Übelkeit, Erbrechen, Epilepsieanfällen“ experimentierte. In GODSTAR. DIE FÜNF TODE DES GENESIS P-ORRIDGE zeichnet Uwe Schütte dessen Karriereweg nach: von der extremistischen Performance-Gruppe COUM Transmission über die Erfindung der Anti-Musik des Industrial zur Gründung der Band Psychic TV und dem zuletzt verfolgten Genderkunstprojekt der ›pandrogeny‹. Komplettiert wird das Line-up von Moderator Ulrich Gutmair sowie Hendrik Otremba und Juliane Liebert. Und gut, dass in der Lettrétage eine Discokugel hängt. Denn im Anschluss an die Buchvorstellung folgt eine Industrial-Disco.

Ein Familienevent mit Erdnussflips vor einem klobigen Kasten, natürlich in schwarz-weiß und mit drei Programmen inklusive frühem Sendeschluss – willkommen zu einem Fernsehabend der 70er Jahre. Andreas Drescher lässt ihn am 29. Januar wieder aufleben, jedoch mit Hang zum Surrealen. LUST AM FABULIEREN – LITERARISCHE GROTESKE lautet dementsprechend auch der Titel, unter dem er aus dem Band MEIN ALTER SCHWARZFERNSEHER liest. „Unkonventionelle Erzählungen über konventionelle Fernsehabende der 70er Jahre“, meint WDR3 dazu.

Zum Abschluss des Monats kommt die Discokugel ein weiteres Mal zu ihrem Recht: Am 30. Januar wird auf 10 JAHRE MIKROTEXT angestoßen! Geboten wird ab 19 Uhr neben einem Ausblick auf das Verlagsprogramm 2023 u. a. das Familien- und Partyspiel „A bis Z“ von Ruth Herzberg. Ab 21 Uhr sorgt DJ Elisa Aseva für Tanzmusik. Nicht fehlen darf dabei natürlich auch ein Schnaps auf das 11. Jahr.