Die Lettrétage im Dezember

Weihnachten steht vor der Tür und da darf im Programm selbstredend die Liebe nicht fehlen. Und wo die ist, ist natürlich auch die Hoffnung nicht weit. Dazwischen drängelt sich das Recht, das gesprochen und gebrochen wird. Nicht zu vergessen eine künstlerische Darbietungsform, die mit all dem zu spielen vermag: die Performance.

Mit einem Streifzug fängt alles an: Am 5. Dezember führen Arne Krasting und Alexander Vogel durch den steingewordenen Teil der Berliner Justizwelt, von regelrechten Kathedralen des Rechts wie dem Kriminalgericht Moabit bis hin zu Kloaken wie dem Columbia-Haus am Tempelhofer Feld, das von den Nationalsozialisten als Gefängnis genutzt wurde. JUSTIZGEFLÜSTER. BERLINER GERICHTE UND GEFÄNGNISSE versammelt Anekdoten, Daten und Fakten, aber auch versteckte Details und Kurioses. Dazu zeigen die beiden Autoren unveröffentlichte Bilder und berichten vor allem über die Begegnungen mit Menschen, die sich in dieser Welt Tag für Tag aus unterschiedlichsten Gründen bewegen.

In eine ähnliche Richtung geht das Kollektiv Wiese. Am 7. Dezember präsentiert es das AL-KHATIB-GLOSSAR, das sich auf das gleichnamige, Anfang des Jahres in Koblenz zu Ende gegangene Gerichtsverfahren gegen zwei syrische Geheimdienstler bezieht – auf ein Verfahren, das nur als bruchstückhafter Text existiert und nicht im Wortlaut dokumentiert wurde. Welche Wörter bleiben in Koblenz unübersetzt, unübersetzbar? Kann Sprache eine Form der Folter sein? Welche Echos, Bezüge, Widersprüche stellen sich zwischen arabischen, deutschen und zwischensprachigen Mitschriften ein? Um Antworten darauf zu finden, experimentiert das Glossar mit den porösen, zaghaften und unvollständigen Spuren des Verfahrens. Das Ergebnis ist sowohl mehrsprachig als auch multimedial und kann ab Januar 2023 digital erkundet werden.

Wie ein Gegengewicht wirkt da am 9. Dezember das VIERTELFINALE DER LIEBE, zu dem die Veranstaltungsreihe DIE BUNTE KUH einlädt. Moritz von Eschersheim, „der traurige Clown der neuen deutschen Popmusik“, die Berliner Chef-Salonistin Isobel Markus und Klaus Ungerer, „der Hirte der Bunten Kuh“, erzählen und singen vom Bezirzen und Bedröppeltsein, vom Hoffen, Bangen und Sehnen, von den vollen Windeln der Kinder und dem Blasendruck der Romantiker, die sich nachts auf dem Friedhof gedatet haben…

Zum Ende des Jahres will Soul and the City erklärtermaßen die Hoffnung bewahren. ALL I WANT FOR CHRISTMAS – THE COOLEST NIGHT OF ARTS END OF THE YEAR PARTY, die am 11. Dezember steigt, bietet dazu nicht nur künstlerischen Beiträgen aus verschiedensten Genres und Ländern eine Bühne. Sie steht darüber auch für soziales Engagement: „the creators of this event stand in solidarity with Child support and development programs, Water pump projects, Water and Hygiene Themes, Feminism, Nutritionfacts projects, among others.“

Das Werk des Autors und Sprechlyrikers Temye Tesfu, der Visual-&-Sound-Poetin Kinga Tóth und von Hans Unstern, einer – wie es im Wikipedia-Eintrag treffend heißt – „Multitude an Personen“, könnte unterschiedlicher nicht sein. Was sie am 13. Dezember in der Lettrétage zusammenführt, ist der performative Charakter ihrer Kunst. KOOKread: Texte in die Performance werfen interessiert sich u. a. für die dabei zutage tretenden Schnittstellen zwischen Theater, Installation, Film, Bildender Kunst, Social Media und auch aktivistischen Praktiken. Durch den Abend führt Moderator Asmus Trautsch.

2022 geht bei uns mit einer multimedialen Installation zu Ende. Anouschka Trocker, Marie Chartron und Houri Varjabédian spüren über in Bild und Kartenmaterial eingearbeitete Hörstationen der Schriftstellerin und Résistance-Kämpferin Louisa Aslanian – genannt LASS – nach. Das Projekt erforscht Orient und Okzident, Tabriz, Tiflis und Yerevan, die 20er Jahre in Paris, die Zeitschriften der armenischen Diaspora, den Widerstand der Gruppe um Missak Manouchian und schließlich die Gestapo, HASAG-Leipzig und Ravensbrück, wo Louisa Aslanian im Januar 1945 den Tod fand. Die Ausstellung LASSverschwindet wird am 16. Dezember mit einer Vernissage eröffnet und steht dem Publikum vom 17. bis 21. Dezember kostenlos offen.