Die Lettrétage im April

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Zahlen, bitte – könnte das Motto des Aprilprogramms in der Lettrétage sein. Los geht es am 1. April mit einem Berlin, dessen Bevölkerung auf 24 Millionen Menschen angewachsen ist. Willkommen in „the world’s first gay state“! Welche Abbiegung(en) die Geschichte hätte nehmen müssen, um zu diesem alternativen Szenario zu kommen, schildert dieser Trailer. Redfern Jon Barrets PROUD PINK SKY entwirft jedoch keine reine Utopie. Denn die Stadt, „a bustling world of pride parades, polyamorous trysts, and even an official gay language“, ist tief gespalten. Cissie hat ihren von Heterosexuellen bewohnten Distrikt noch nie verlassen. Bis sie eine Tages den Zugang zu einem ummauerten Slum entdeckt.

Das Gebet der Zwölf Stränge bestimmt alles im Centrum, einer Mega-City in einer unbestimmten Zukunft. Julia Kulewatz’ frisch aus dem Druck gekommener Debütroman DYSFUNCTIONAL WOMAN, den sie am 2. April vorstellt, erzählt von einer Welt, in der Konzepte wie Mutter- und Vaterschaft der Vergangenheit angehören. Der Mensch wird nach seinen Erzeugungskoordinaten und seinen Funktionen benannt und dauerhaft über Xeno- und Nanobots modifiziert. Q ist eine der letzten fruchtbaren Frauen. Sie hat keinen anderen Wunsch, als einen freien, selbstbestimmten Tod zu sterben. Dazu muss sie jedoch erst einen speziellen Giftpilz finden.

Dass die Discokugel auf Warp 3 dreht, ist der Anspruch von AN UNSEREN HÄNDEN KLEBT BENZIN. Dieser Abend will das Gute auf der Welt gewaltsam durchsetzen und wieder aus den Händen gleiten lassen. Ulrike Helms-Angels liest ihre Prosa direkt von der schiefen Ebene des Alltags herunter, kaltschnäuzig balancierend. Klaus Ungerer tanzt um sie herum und versucht, ein paar eigene Texte zum Vortrag zu bringen. Und Sedlmeir – Ja! Der echte! – rockt das Haus. Der 6. April wird ein guter Tag zum Rumsitzen, Zuhören, Biernippen sein.

Ein oder zwei Bücher – und vielleicht noch ein paar Freunde im Schlepptau. Mehr braucht es nicht für THE HOW TO BOOK-SWAP PARTY! am 6. April. Diese von The Reader Berlin, Siena Powers und Victor Breidenbachr organisierte Party befreit von der Bürde der Bücher, die man schon immer mal lesen wollte, es aber nie getan hat – und auch, seien wir ehrlich, niemals tun wird. Die Herausforderung ist, diese Bürde einzutauschen. Um das Ganze in Schwung zu bringen, gibt es Wein. Und zur Sicherheit wrestling referees. Nur eine Bitte: keine Bücher aus der untersten Schublade!

Sechs literarische Essays versammelt Eva Tepests POWER BOTTOM. Die Texte kreisen um die Frage, wo die Grenze zwischen subjektiver Lust, sexueller Identität und gesellschaftlicher Norm verläuft. Von Pornhub bis zu Erika Lust, von katholischem Kink bis hin zur Frage nach queerer Scham öffnen sie ein Kaleidoskop aus intimen Betrachtungen und kritischen Auseinandersetzungen. Einen Vorgeschmack auf die Präsentation am 12. April gibt dieser Podcast im Deutschlandfunk Kultur.

Wie sich eine junge Frau in den 1930er Jahren in Skandinavien selbst verwirklicht, erzählt Arabella Meran in ihrem neuesten Roman. Es geht um Caroline Mikkelsen, die als erste Frau das ewige Eis der Antarktis betrat. Das zweite Buch des Abends ist ein Krimi von Vera Lynn Fox: Die Kunststudentin Rosa wird erschossen. Ein blutjunges Ermittler-Team heftet sich an die Spuren des Wannsee-Mörders, der in der Berliner Kunstszene zu Hause zu sein scheint. VON LACHENDEN PINGUINEN UND EINEM VERHÄNGNISVOLLEN GEMÄLDE heißt es so am 13. April.

Kaum zu zählen sind die Herkunftsländer der künstlerischen Acts, die bei SOUL AND THE CITY: LOVE&POLITICS – FROM BERLIN WITH LOVE am 14. April zu sehen sein werden. Brasilien, Slowenien, Süd Afrika, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Pakistan, USA, Polen, Indien, Deutschland und Ägypten sind nur die diejenigen, die bislang feststehen. Die Veranstaltung will das soziale und politische Bewusstsein schärfen und gleichzeitig Vielfalt und Individualität feiern – mit guter Laune, Hoffnung und Liebesbekundungen.

Zum fünfzigsten Todestag von Brigitte Reimann erscheint ihr Roman DIE GESCHWISTER erstmals in englischer Übersetzung. Reimann gilt als einer der wichtigsten Autorinnen der DDR. In dem 1963 erschienenen Roman versucht die Erzählerin Elisabeth ihren Bruders davon abzubringen, in den Westen zu gehen. Was diese Prosa auszeichnet, hat die Übersetzerin Lucy Jones in einem Interview so umrissen: „She manages to explore complex political issues through compelling scenes and dialogues. Her characters manage to fight a repressive system with humour.“ Am 16. April stellt Lucy Jones BRIGITTE REIMANN: SIBLINGS im Gespräch mit Alexander Wells vor.

„‚Gedicht‘ steht unterm Titel. Aber eigentlich sind es zwei Gedichte, zwei ganz große, stille, lange“, schreibt die Leipziger Zeitung über Olav Amendes Band ABWESENHEITEN, aus dem er am 20. April liest. Er entwirft eine Welt der Parallelitäten, in der die Dinge losgelöst und doch miteinander verbunden simultan geschehen. Die Zeit scheint stehen geblieben, die Welt verlassen und menschenleer. Dennoch treten Menschen auf. Sie scheint weit entfernt zu sein, als wären sie Teil einer anderen Welt. Man kann ihren Tätigkeiten zusehen, ihr Schlurfen auf den Straßen hören, entgeht aber ihrem Blick. Ein Sound aus Wiederholungen und Auslassungen treibt den Text voran.

Zehn Minuten lang hat am 21. April jeder Gast die Bühne für sich allein, um über das Thema der vierten Ausgabe der BERLINER SALONAGE-Reihe FRAUENART zu sprechen: DER WEIBLICHE KÖRPER – RAUM, SELBSTBESTIMMUNG, TABU. Inwiefern über den Körper der Frau im öffentlichen Leben bestimmt wird und welche Rolle dessen Sexualisierung spielt, diskutiert Chefsalonistin Isobel Markus mit der freien Kunstmanagerin und Vermittlerin Ann-Kathrin Rudorf, PD Dr. Ute Seeland von der Berliner Charité, der Autorin Kathrin Schadt, der Drag Queen Audrey Naline und dem Musiker Max Müller. Jedem Auftritt folgt ein moderiertes Gespräch mit der Möglichkeit, Fragen oder Anmerkungen aus dem Publikum zu stellen

Zwei Titel des Textem Verlags werden am 24. April präsentiert: UNCANNY ENTREPRENEURSHIP und RISS – ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOANALYSE. Konstantin Haensch, Karl-Josef Pazzini, Mai Wegener und noch einige andere stellen Objekte oder Bild-Dateien vor, um über sie aus unterschiedlichen Perspektiven ins Gespräch zu kommen. „UN-„: EIN ABEND FÜR EINE VORSILBE widmet sich einer Buchstabenfolge, die verunsichert. Unbewusst, unzeitgemäß, unlogisch, ungeschickt, unheimlich, unsinnig und unerhört markieren nicht nur Gegenteile, sondern auch eine nicht ganz dichte Grenze, hinter der womöglich mehr liegt als ein negativer Gegenpart. Uncanny!

Das ausgehende 20. Jahrhundert ist der Zeitrahmen von SCHWANKENDE SCHATTEN, dem Prosadebüt des litauischen Übersetzers und Autoren Laurynas Katkus, das er am 26. April vorstellt. Sein Protagonist, der junge Philologe Vytautas, zweifelt am Sinn seines Tuns, sucht nach seinem Platz in der Welt und verliert dabei auch noch seinen Job als Dozent. Sein größter Lichtblick sind die Briefe eines baltendeutschen Autors und Abenteurers vom Anfang des 20. Jahrhunderts, mit dem er sich als seinem Alter Ego und Gegenpol immer stärker identifiziert. Heinrich, so der Name des baltendeutschen Haudegens, verkörpert alles, was Vytautas gern wäre, und bietet ihm eine alternative Lebenswirklichkeit.

Seit 2012 existiert der von der Verlegerin Christiane Frohmann begründete, preisgekrönte Katersalon, eine Veranstaltungsreihe, die sich der „performativen Aufklärung“ verschrieben hat. Der HEXEN-KATERSALON am 30. April geht der Frage nach, was und wer genau Hexen waren und sind. Außerdem wird das Hexenheft vorgestellt, eine neue Art des Zauberbuchs. Dazu hält Christiane Frohmann einen langen, aber kurzweiligen Katersalonvortrag, präsentiert die Künstlerin Sarah Berger neue Social-Media-Collagen und beschließt die Professorin für Modejournalismus Diana Weis das Bühnenprogramm mit einem ihrer Stand-ups. Danach legt sie auf, und der Hexentanz beginnt.

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Obere Reihe: Marion Roters; Eden Jetschmann; Klaus Ungerer; Christiane Frohmann

Mittlere Reihe: I. Markus; Redfern Jon Barrett; Victor Breidenbach, Siena Miller

Untere Reihe: Julia Kulewatz; pxfuel.com; Ramūnas Danisevičius