Der vergessene Freund (III)

Und noch zwei Institutionen

eine frau und ein man sitzen im cafe
© Moritz Malsch

Krönender literarischer Abschluss der Reise war die eindrucksvolle Begegnung mit Leevi Lehto, der so etwas wie der Pate der jungen Literaturszene Finnlands ist. Mit wem man in der finnischen Literaturszene auch spricht – der Name Leevi Lehto wird stets mit größtem Respekt im Munde geführt.

Überpünktlich erwartet er uns bereits im berühmten Café Kappeli an der Helsinkier Prachtstraße Esplanadi. Mit T-Shirt, dunklem Sakko und Dreitagebart könnte er rein äußerlich auch als alternder Rockstar durchgehen. Im Gespräch weist er ein eher ein gemäßigteres, finnischeres Temperament auf. Der Anfang 60jährige Leevi hatte nicht wenige der zuvor getroffenen Autoren selbst entdeckt und in seinem Verlag aufgebaut. Er ist ein leidenschaftlicher Verleger, der ständig nach Neuem sucht. Neben seinen bislang sechs eigenen Lyrikbänden sowie seinem experimentellen Prosawerk betätigt er sich auch als Übersetzer. In allen besseren Buchhandlungen Finnlands steht derzeit seine neue Ulysses-Übersetzung im Schaufenster. Aus dem Nähkästchen plaudernd erzählt er, wie sein finnischer Verleger ihn aufgrund übertriebener Plagiatsangst gezwungen hat, jede Zeile des Ulysses anders zu übersetzen als in der bisherigen finnischen Referenzübersetzung. So gibt es nun also einen wirklich in jeder Zeile neuen finnischen Ulysses!

leevis ulysses im Schaufenster
© Moritz Malsch

Eine Freundschaft verbindet ihn mit Charles Bernstein, den er ebenfalls ins Finnische übersetzt hat. Phasenweise habe er sich so stark nach Amerika orientiert, so erzählt er, dass man ihn als „amerikanischen Dichter in finnischer Sprache“ oder als den „finnischen Language-Poeten“ bezeichnet habe.

Ein Jammer, dass Leevi in Deutschland kaum bekannt ist. Ihn nach Deutschland einzuladen ist definitiv ein Lettrétage-Projekt für 2014.

Fazit

Ich bin noch ganz erfüllt von den vielen neuen Erlebnissen und Bekanntschaften, so dass dieser Text vielleicht etwas überfrachtet an Eindrücken ist. Jedenfalls fühle ich mich wie ein literarischer Schatzsucher, der auf eine Goldader gestoßen ist. Die große Gastfreundschaft, das gebe ich zu, hatte einen gewissen, allerdings nicht den entscheidenden Einfluss auf meine positive Meinung. Vielleicht liegt es an dem vielen Lesen, dass die finnische Literatur so gut ist, lesen soll ja beim Schreiben helfen. Ich werde mich nach Kräften bemühen, einen Teil meiner Entdeckungen auf die eine oder andere Weise nach Deutschland zu importieren, und freue mich schon auf 2014. Kiitos, Suomi!

Morgen: Kleine Landeskunde