Zitat der Woche

an die Wand gedrückt, wieder

(Ich-Taste) wie damals, mit sechs
oder sieben, die Eltern (im Traum

sind im Krieg)
kalt weiß massiv

(im Scheidungskrieg) geblieben
der Eindruck, den die Wand

ihm – wem? –
wieder gut macht

Auszug aus „Als ich neulich nachts“ von Christian Filips. Der Schriftsteller, Musikdramaturg und Regisseur nahm an diesem Wochenende an der deutsch-tschechischen Literaturbegegnung „Reality Czech“ teil. Hier können Sie das Gedicht auf Lyrikline nachhören.

The Day has Arrived: Morgen beginnt Reality Czech!

Es ist soweit: Am Freitagabend startet die deutsch-tschechische Literaturbegnung „Reality Czech“ bei uns. Bis zum Sonntag wird es in öffentlichen Talks und Lesungen um alternative Formen der Kollaboration, Präsentation und Publikation zeitgenössicher Literatur aus Tschechischen und Deutschland gehen.

Wir freuen uns gemeinsam mit euch und den Autor*innen über Bedingungen des Schreibens, die Bedeutung von Literatur im gesellschafts und kultur-politischen Diskurs zu diskutieren und neue Performance- und Publikationsformate aus Berlin und Prag kennen zu lernen. Zum Programm gehts hier.

Heute stellen wir euch schon mal die teilnehmenden Autor*innen aus Prag und Berlin vor.

„The Day has Arrived: Morgen beginnt Reality Czech!“ weiterlesen

Zitat der Woche

Die ganzen Gedanken kamen nur davon, dass sie nicht mehr krank war. Was für eine Qual! Wenn ich aufhöre zu essen, lebe ich dann eigentlich so weiter, als wäre nichts passiert? Ich schlafe vier Stunden protag, überlegte sie, früher war ich ständig übermüdet und wurde krank. Jetzt schlafe ich immer noch meine vier Stunden pro Tag, bin aber kerngesund! Früher hing ich kraftlos im Bett, habe gefiebert und die Stromleitungen vorm Fenster gezählt. Jetzt vergesse ich schon, dass ich überhaupt Fenster habe!

Auszug aus „Die erkrankte Frau“ von Yevgenia Belorusets, übersetzt von Claudia Dathe

Aus: „Glückliche Fälle“ von Yevgenia Blorusets, übersetzt von Claudia Dathe, Berlin: Matthes & Seitz 2019.

Zitat der Woche

Und die Reise ist Auftrennen, keine Bestimmung.
Trennen wir also nähte auf.
Meine Großmutter trennte
in einer einzigen Nacht
einen ganzen Herrenanzug auf
und nähte ihn von Anfang an wieder zusammen
das Innere nach außen gekehrt
so verdoppelte sie sein Leben
das Innere nach außen gekehrt
Die fahrt weißt eine doppelte Richtung auf
jeden Augemblick
jeden Augenblick verfielfältigt sie sich

Auszug aus „Passage I“ von Katherina Iliopoulou, übersetzt von Dirk Uwe Hansen und Theo Vostos.

Aus: Lichtungen, Nummer 159, September 2019.

Das Jahr des offenen Verlags

Für die Programmplätze 2020 sucht mikrotext Gast-VerlegerInnen. Jede*r kann sich mit einer Titelidee melden.

Schon immer ist es so: Verlage haben einen Verleger oder eine Verlegerin. Eine „Persönlichkeit“, die die Geschicke des Verlags lenkt. Warum eigentlich? Muss das so sein? Das Verlegen ist eigentlich eine kollektive Angelegenheit. Das denken auch unsere Freund*innen bei Mikrotext: Für „Das Jahr des offenen Verlages“ 2020 öffnet sich der Verlag für eure Projekte.

„Das Jahr des offenen Verlags“ weiterlesen

Zitat der Woche

Gäbes es Gläser, Einweckgläser möglicherweise, die Sinn enthalten, aus dem Süden heimkehrende Vögel, oder falls ich eines dieser Gläser noch besäße und sie nicht allesamt beim Schreiben geöffnet hätte, seuftz: sie nicht in jenen Stunden verblendeter Hoffnung leichtfertig verbraucht hätte, eines zumindest würde ich jetzt öffen.

Auszug aus „Heimkehrende Vögel“ von Alexander Smollett
Aus: Metamorphosen, Ausgabe 24, Mai bis August 2019.

Zitat der Woche

wären die alpen doch wolken geblieben!
kinderspiel. weit weg.

als wir aufbrachen, dachten wir: nebelbänke
die der wind langsam verschiebt. doch einige wolken

bewegten sich nicht. standen auf felssockeln
wurzelten tief in der erde, unwirklich groß.

durchsichtig – oder aus glas?
je näher wir kamen, desto deutlicher 

machten wir steilwände aus.
ich hoffte, die nacht würde uns schützen

vor diesem wahn aus gestein. wasserfälle
warnten uns in ihrer fremden sprache.

es setzt ja auch niemand den fuß
auf wolken und steigt hinauf!

jetzt können wir nicht mehr zurück. zwischen uns
falten sich abstürze, höhen auf, immer von neuem

wären die alpen doch wolken geblieben.
schwundstufen von träumen, kinderspiel. weit weg.

Auszug aus dem Gedicht “Über die Alpen” von Birgit Kreipe. Die Dichterin ließt nächste Woche Freitag als Teil der Greek Writers@Berlin – Teil I in der Lettrétage.

Von: https://www.lyrikline.org/de/gedichte/ueber-die-alpen-i-14185

Zitat der Woche

At the museum, you are impressed
by ancient bronze. Metal ribs

of another. I wield a dull knife
to my way of seeing:

the cloud-thoughts, not muscles,
feel the threat. The word-hinges—

like tools of unknown origin—
exposed under the more modern way

to light old artifacts.

Auszug aus dem Gedicht „I Talk to Another More then Myself “ von Jennifer Kronovet. Die amerikanische Dichterin ließt nächste Woche Freitag als Teil des Berliner Writers Workshops in der Lettrétage.

Von: www.poetrysociety.org