Das Umdenken hat sich herumgesprochen. Die sogenannte Machbarkeit auch. Wir wissen, was uns tötet. Und am Leben erhält. Am Denken liegt es weiß Gott nicht. Vielmehr am Nichtdenken, dieser aufgeblasenen Null. Sie verhindert noch unsere Zukunft.
Lass alles zurück. Lass du dich sein. Nicht du führst dich zu dir, nicht du allein. Wer nur in sich verharrt, existiert ohne Geist und bleibt ohne Erfahrung. Er verkennt die Notwendigkeit des Gegenübers, stumpft ab und erlischt.
Ohne Echo sein. Kein Spiegelbild bot ihm die Zeit. Man kannt sich einfach ab und schwieg. Tat, als ob man ihn fernstünde. Ich fernstehe dich, sagt man in sein Angesicht. Ich fernstehe ihn nicht, sagt man hinter sei Rück. Man lügt ihn angesicht.
Als ich eines regnerischen Morgens die Treppen der U-Bahnstation Oranienburger Straße hinaufsteige und auf dem von Regentropfen gesprenkelten Asphalt vor mir den kupferfarbenen Widerschein der Straßenlaternen sehe, die von der letzten Nacht noch nicht erlöscht sind, erkenne ich plötzlich, wie jede Generation blindlings und unbewusst einem Auftrag unterworfen ist, die Fehler und Schmerzen der Generation vor ihr zu korrigieren, um die Schäden der Zeit wiedergutzumachen.
Andrea Scrima: KREISLÄUFE, Literaturverlag Droschl, 2021.
Ich kenne diese Geschichte nur aus Erzählungen, aber in ihr deutet sich unendlich viel anderes an, Geschichten, die nicht erzählt werden, weil sie vielleicht auch keiner mehr weiß, keiner mehr wissen will, weil sie zu brutal sind, als dass sie noch eine Sprache finden könnten, was aber nichts daran ändert, dass sich die Zeichen dessen, was nicht erzählt wird oder erzählt werden kann, in die Haut der Nachkommen ritzen wie unlesbare Botschaften, mit denen zu leben man erst einmal lernen muss.
Lilian Peter: MUTTER GEHT AUS, Diaphanes Verlag, 2022.
Das ganze Dorf brannte. Die Flammen schlugen hoch über den zum Teil stark verwitterten Dächern der langgestreckten Backsteinhäuser zusammen. Zwischen den rasenden Feuern sah ich Leute hin und her hasten, aber nicht, um zu löschen. Entsetzt erkannte ich, dass sie Kanister in den Händen hielten, deren Inhalt sie an den Stellen ausschütteten, wo das Feuer zu verlöschen drohte, um es erneut anzufachen. Obwohl sie rußverschmierte Gesichter hatten, glaubte ich, einige von ihnen zu erkennen. Ich wollte ihnen zurufen einzuhalten, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Plötzlich zerriss der schwarz-graue Rauchvorhang an einigen Stellen und ich sah in der Mitte des Dorfes ein großes Gebäude, das alle anderen überragte und völlig unversehrt war.
Während die Strände und Badeseen sich langsam leeren, startet die Lettrétage mit randvollem Programm in den Herbst: Neben Performances, Lesungen, Buch- und Magazinvorstellungen, melden wir uns zusätzlich mit alten wie neuen Diskussions- und Gesprächsrunden aus der Sommerpause zurück – Berlin, wir freuen uns auf Deine freie Literaturszene!
Copyright: Ronny Aviram & Christina Maria Landerl: TELAVIVIENNA. Vom Heimkommen, Müry Salzmann Verlag, 2022.
Die Stadt hat jetzt einen Hauptbahnhof, der Westbahnhof hat verkehrstechnisch und in meinem Leben an Bedeutung verloren; und zuhause ist wieder woanders.
Aber das Gefühl steht am Westbahnhof unter Denkmalschutz.